Was ist Rassismus?
Die GRA orientiert sich an zwei grundlegenden Definitionen des Rassismus-Begriffs
1. Definition nach Albert Memmi
Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.
2. Definition der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ECRI
a) «Rassismus» bedeutet die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie «Rasse», Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt.
b) «Direkte Rassendiskriminierung» bedeutet jede unterschiedliche Behandlung aufgrund von «Rasse», Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationaler oder ethnischer Herkunft ohne sachliche und vernünftige Gründe. Eine unterschiedliche Behandlung ist nichtsachlich und vernünftig begründet, wenn sie kein legitimes Ziel verfolgt oder die Verhältnismässigkeit der angewandten Mittel in Bezug auf das verfolgte Ziel unangemessen ist.
c) «Indirekte Rassendiskriminierung» liegt in Fällen vor, in denen ein scheinbar neutraler Faktor wie eine Regelung, ein Kriterium oder ein Verfahren von Personen, die einer Gruppe angehören, die durch «Rasse», Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft gekennzeichnet ist, nicht einfach erfüllt werden kann oder sie benachteiligt, es sei denn, dieser Faktor ist sachlich und vernünftig begründet. Dies wäre der Fall, wenn ein legitimes Ziel verfolgt wird und wenn die Verhältnismässigkeit der angewandten Mittel in Bezug auf das verfolgte Ziel angemessen ist.
3. Ergänzend können die folgenden Definitionen hilfreich sein
vgl. dazu die Übersicht der Amadeu Antonio Stiftung unter: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/glossar-antisemitismus-und-rassismuskritische-jugendarbeit/
a) Rassismus
Rassismus ist eine Ideologie der Unterdrückung und wurde im Zuge des Kolonialismus und Versklavungshandels hervorgebracht. Er fusst auf einer »Rangordnung« von Menschen, die von biologischen und/oder von Kulturalisierung informierten »Kriterien« unterlegt ist. Rassistische Argumentationen dienen dazu, Machtverhältnisse zu legitimieren. Sie sichern Privilegien der Weissen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Rassismus hat verschiedene Formen, wobei Othering (vgl. 3.b)) eine zentrale Rolle spielt. Er wirkt strukturell, institutionell und alltäglich, wird aber häufig verleugnet. Rassismus verhindert die gleichberechtigte Partizipation von People of Color. Jugendarbeit als politischer Bildungsort muss daher die Auseinandersetzung mit Rassismus als konzeptionelle Querschnittsaufgabe begreifen.
b) Othering
Die deutsche Übersetzung klingt ungewohnt, bringt es aber auf den Punkt: »Othering« heisst, jemanden »andern«, zum:zur Anderen machen. Genau das passiert, wenn »Wir« uns von den vermeintlich »Anderen« abgrenzen. Diese Unterscheidung fusst auf hierarchischem und stereotypem Denken. Während die eigene »Normalität« bestätigt und aufgewertet wird, erscheinen die »Anderen« als weniger tolerant, demokratisch oder gebildet. Othering gibt es auch in Bildungseinrichtungen, etwa wenn bestimmte Jugendliche als Expert:innen »ihrer« Kultur oder Religion befragt werden, obwohl ihre Lebenswelt damit nichts zu tun haben muss. Es erzeugt Ausgrenzung und reproduziert Vorurteile und Klischees. Demgegenüber werden Jugendliche durch Empowerment ermutigt, ihre eigenen Sichtweisen zu äussern und zu vertreten.
© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015/2020.
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.
Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich.
Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.
Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.
Foto: Alain Picard