Endlösung

«Endlösung der Judenfrage» nannten die Nationalsozialist:innen ihre ab Juli 1941 beginnende, systematische Massentötung von Jud:innen. In den Jahren zuvor hatten führende Vertreter der NSDAP noch die Deportation aller europäischen Jud:innen, etwa nach Madagaskar, als «Endlösung» erwogen.

Am 31. Juli 1941 schrieb Reichsmarschall Hermann Göring an den Chef der Sicherheitspolizei, SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich:
«In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlass vom 24.I.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussbereich in Europa.»

Dieser Brief markiert einen Wendepunkt in der nationalsozialistischen Judenverfolgung; von da an wurde der Begriff «Endlösung» immer eindeutiger zur Bezeichnung für die systematische Massenvernichtung der europäischen Jud:innen. Eine Woche vor Görings Schreiben, am 22. Juli 1941, hatte das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion angegriffen. Bereits zwei Tage später begannen sechs von Heydrich initiierte mobile «Einsatzgruppen» in den neu eroberten Gebieten mit Massenerschiessungen von jüdischen Männern. Im Herbst 1941 kam im Konzentrationslager Auschwitz erstmals das Giftgas Zyklon B zum Einsatz. In einer Art Generalprobe ermordeten die Nazis damit 900  russische Kriegsgefangene. Zu diesem Zeitpunkt stand der Plan fest, die «Endlösung der Judenfrage» während des Krieges anzustreben. Die «Einsatzgruppen» hatten damals bereits Zehntausende sowjetischer Jud:innen erschossen.

An der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 besprach Heydrich mit hochrangigen Vertreter:innen der Regierung und der SS die organisatorischen Probleme der Deportationen und der Massentötung der europäischen Jud:innen. Das schriftliche Protokoll dieser kurzen Aussprache verschleiert den beabsichtigten Völkermord mit der Umschreibung «Evakuierung der Juden in den Osten». Doch der Teilnehmer Adolf Eichmann sagte später in seinem Prozess in Jerusalem, es sei «von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen» worden. Laut Protokoll kamen «im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage» rund 11 Millionen Jud:innen in Betracht, die nach Ländern aufgelistet wurden – darunter auch 18’000 Schweizer Jud:innen.

Die Deportationen wurden kurz nach der Wannsee-Konferenz intensiviert. Ende April 1942 befahl der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, die bereits in den russischen Gebieten begonnene Ermordung von Jud:innen auf das ganze besetzte Polen auszuweiten. Ab dem 4. Juli 1942 wurde im Konzentrationslager Auschwitz die Mehrheit der ankommenden Jud:innen an der Bahnrampe aussortiert («selektioniert», wie es im Nazi-Jargon hiess) und in den ersten, noch provisorischen Gaskammern ermordet. Bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 fielen dem nationalsozialistischen Völkermord rund sechs Millionen jüdische Menschen zum Opfer.

Das Wort «Endlösung» ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg Synonym für den nationalsozialistischen Völkermord an den Jud:innen geblieben. Als ein durch die Geschichte geprägter Begriff, hat es seine anderen, allenfalls harmlosen Bedeutungsinhalte verloren.

Siehe auch die Stichworte HolocaustShoahGenozidPorajmosKonzentrationslager und Nationalsozialismus.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

Glossar
Wir helfen

Vorfall melden

Wurden Sie Zeug:innen eines rassistischen oder antisemitischen Vorfalls oder wurden Sie selbst rassistisch oder antisemitisch beleidigt oder angegriffen?

10.04.2024

Diskriminierungsbericht 2023

Der neuste Bericht der GRA und GMS zum Jahr 2023 ist da.

Aufgrund der Ausweitung der Diskriminierungsstrafnorm Art. 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) in den letzten Jahrzehnten, auch im Hinblick auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, wurde der Bericht umbenannt und heisst nunmehr „Diskriminierungsbericht“ anstelle von „Rassismusbericht“.

Die umfassende Analyse der jährlichen Diskriminierungsfälle in der Schweiz 2023 zeigt einen sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle nach dem Angriff der Hamas und dem nachfolgenden Krieg in Gaza. Damit einher geht eine zunehmende Sichtbarkeit von allgemein diskriminierenden Taten und Hassreden. Die insgesamt 98 registrierten Vorfälle im Jahr 2023 stellen eine Zunahme um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr dar.

Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Konzepte im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus helfen können sind im vollständigen Bericht inklusive Interview mit Hannan Salamat vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der dazugehörigen Medienmitteilung zu finden.

 

Diskriminierungsbericht 2023

Medienmitteilung Diskriminierungsbericht 2023

 

Mehr erfahren
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023