Der Arzt Walter Fischbacher streut in seiner Nachbarschaft ein Pamphlet gegen die angebliche Verleumdung seiner Person im Zusammenhang mit seinem Kampf gegen das Antirassismus-Gesetz und seinen Austritt aus der FDP. Fischbacher wiederholt darin seine antisemitischen Weltverschwörungsphantasien. Er verglich die «Weltzionisten» (WEZI) mit den Nationalsozialisten (NAZI), «beiden ist eine beispielslose Selbstüberheblichkeit und ein Führungsanspruch eigen: beide betreiben Rassismus in Reinkultur und neigen zur Willkür. Die brutale Ausschaltung Anders-Denkender wurde von den NAZI offen betrieben, von den WEZI bald subtil und raffiniert, bald eklatant-aggressiv. Damit sind sie beide Demokratie-Feinde. Der grösste Unterschied besteht wohl darin, dass die NAZI überwunden (historisch) sind, während die Weltzionisten noch nie so stark waren wie heute.» Weiter behauptet Fischbacher: «Die Weltzionisten arbeiten mit zwei Superwaffen: ihre nahezu totale Berrschung der Massenmedien erlaubt ihnen eine weltweite Zensur ihrer Geschichte (eine ganze Reihe revolutionärer Betätigungen) und ihrer rezenten Terror- und Polit-Aktionen». Auf die Klage eines Nachbarn will Untersuchungsrichter Beat Müller zuerst nicht eingehen, doch der Staatsanwalt Heinrich Gründler hebt den untersuchungsrichterlichen Einstellungsentscheid wieder auf. Auch der nächste Untersuchungsrichter Jules Wetter stellt das Verfahren ein und lässt in seiner «Aufhebungsverfügung» jegliche Distanz zu den antisemitischen Quellen Fischbachers vermissen. «Die Ideologie des vom Angeschuldigten so genannten ‘Welt-Zionismus’, (…) basiert nun gerade auf der Überlegenheit der jüdischen Rasse. Kritische Äusserungen dazu waren im Rahmen der Bestimmung des Art. 261bis StGB somit dem Angeschuldigten nicht nur erlaubt sondern geradezu geboten.» Und selbst wenn Fischbacher, so befindet Untersuchungsrichter Wetter, gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen habe, so könnte sich dieser «wegen eines eigentlichen Meinungsterror gegen ihn» auf Notstand berufen. Sowohl Staatsanwalt wie Privatkläger erheben Beschwerde bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Mitte Oktober 1996 beschliesst die kantonale Anklagekammer, dass gegen Fischbacher Anklage erhoben werden muss. Am 17. April 1997 verurteilt das Bezirksgericht St. Gallen Fischbacher zu zwei Monaten Gefängnis bedingt. In der mündlichen Urteilsbegründung erachtet der Gerichtspräsident es als erwiesen, dass Fischbachers Beschuldigungen, die Zionisten würden die Weltherrschaft anstreben und darum ähnlich wie die Nationalsozialisten vorgehen, antisemitische Propaganda seien. Die Juden als Ganzes würden dadurch herabgesetzt und diskriminiert. Fischbacher appelliert ans Obergericht, die Staatsanwaltschaft erklärt Anschlussappellation. Mitte August 1998 bestätigt das St. Galler Kantonsgericht das Urteil der Vorinstanz.

Wir helfen

Vorfall melden

Wurden Sie Zeug:innen eines rassistischen oder antisemitischen Vorfalls oder wurden Sie selbst rassistisch oder antisemitisch beleidigt oder angegriffen?

Ein Ausschnitt aus dem Flyer des Programms der Ringvorlesung. Darauf zu sehe ist das Logo der Universität Zürich sowie der Titel der Ringvorlesung: Antisemitismus.
05.09.2024

Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien

Wann: Jeweils montags zwischen 18.15 bis 19.45 Uhr
Daten: 23.09./14.10./28.10/04.11/18.11./2.12./16.12.
Ort: Universität Zürich, Rämistrasse 71, Raum: KOH-B-10

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat der Begriff des Antisemitismus in öffentlichen Debatten wieder hörbar Eingang gefunden. Doch wird nicht nur mit Blick auf dieses Ereignis und seine Folgen über Antisemitismus diskutiert. Jüdische Menschen in der ganzen Welt sind seit dem Herbst 2023 vermehrt antisemitischen Anfeindungen in allen Formen ausgesetzt. Während Jüdinnen und Juden auf diese Weise unmittelbar von Antisemitismus betroffen sind, werden andere im öffentlichen Diskurs wiederum als antisemitisch bezeichnet, wenn sie beispielsweise eine «israelkritische» Stellung zur Lage in Nahost beziehen.

Antisemitismus ist kein neues Phänomen. Der Hass gegen jüdische Menschen blickt auf eine lange (Leidens-)Geschichte zurück, die nun wieder aktuell geworden ist. Die Ringvorlesung analysiert Begriff, Geschichte und Ausdrucksformen des Antisemitismus und lässt Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft zu Wort kommen, die historische Hintergründe, psychologische und rechtliche Dimensionen, ideologische und politische Erscheinungen sowie persönliche Erfahrungen vorstellen.

Die Ringvorlesung wird in Kooperation mit der Gamaraal Foundation veranstaltet (www.last-swiss-holocaust-survivors.ch).

Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen finden Sie im Veranstaltungsflyer.

 

Mehr erfahren
Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien