Hate Speech
Bildung
Als Andrea im Internet über den Holocaust-Gedenktag bloggt, erntet sie neben einiger Zustimmung auch eine Welle antisemitischer Kommentare: Von «Der Weltfriede wird durch die Juden bedroht!» bis «…euch kriegen wir auch noch!» ist alles dabei. Andrea ruft ihre Freunde an und bittet sie, den Blog zu besuchen und mit eigenen Kommentaren gezielt zu reagieren.
Als Ali einen Spendenaufruf einer Asylunterkunft öffentlich auf Facebook teilt, erhält er nicht nur Zuspruch, sondern wird mit vielen Hassbotschaften konfrontiert. Es finden sich darunter Aussagen wie: «Alle Asylanten sollten getötet werden!» oder «Zurück aufs Meer mit dem Moslem-Dreck!».
Hate Speech
Das Internet wird zunehmend für Hassbotschaften missbraucht. Rassismus und Antisemitismus findet im Internet, über die Sozialen Medien wie Facebook, YouTube und Twitter oder über Blogeinträge und Kommentarspalten von Onlinezeitungen eine öffentliche Plattform. Die vermeintliche Anonymität im Internet lässt die Hemmschwelle dessen, was gerade noch gesagt werden darf, gnadenlos sinken. Online-Angriffe sind besonders folgenschwer, denn sie wirken langfristig und sowohl persönlich als auch verallgemeinernd. Bleiben sie so stehen, können sie immer wieder aufgegriffen und weiter geteilt werden.
Erkennen
Hassbotschaften haben gemeinsam, dass sie i.d.R. durch sprachliche Mittel bzw. daraus folgenden Handlungen die Herabsetzung, Beleidigung, Verunglimpfung, Ausgrenzung, Benachteiligung oder gar das Auslösen von Gewalt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen bezwecken. Damit verletzen sie insbesondere die Ehre oder gar die psychische Integrität der Opfer. Dabei handelt es sich um in der Schweiz strafrechtlich geschützte Rechtsgüter.
Hate Speech basiert somit auf einer bestehenden Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen aufgrund von Hautfarbe, Gender, Sexualität, ethnischem Hintergrund, Nationalität oder Religion sowie schweren Behinderungen und Krankheiten.
Sprachliche Merkmale
Hassrede lässt sich etwa anhand der folgenden Elemente erkennen:
- Dämonisierung («Minderheit … sind das grösste Übel der Welt»)
- Verallgemeinerung («Alle … sind …»);
- Verschwörungsideologien (Beschwörung von «heimlichen Strippenziehern» und «unbekannten Mächten» etc.);
- «Scheinwissen» unterlegt mit falschen Fakten und damit verzerrte Darstellung der Realität;
- Gegenüberstellung «Wir» und «Die», oft mit Konstruktion eines Handlungszwangs mit Aufruf zu Gewalt;
- Diskriminierende Sprache («Schlitzauge», «Saujude» oder «Scheinasylant»).
Melden und Dokumentieren
Hassbotschaften können mit einfachen Klicks in den jeweiligen sozialen Netzwerken gemeldet werden. Äusserungen, die gegen die Diskriminierungs-Strafnorm gemäss Art. 261bis StGB verstossen oder die konkrete Personen direkt beleidigen oder bedrohen, können rechtlich verfolgt werden. Dafür braucht es einen Screenshot und alle zum Post relevanten Daten wie Website, Tag und Uhrzeit, Name des Autors und weitere mögliche medienabhängige Angaben. Oft gibt es die Möglichkeit, auf die Zeitangabe eines Beitrags zu klicken, um einen direkten Link zum Posting zu bekommen. Unter dem untenstehenden Link findet ihr das Meldeformular der GRA, mit welchem ihr rassistische oder antisemitische Posts melden könnt.
Widersprechen
Gegenrede zu einer Hassbotschaft (sog. «Counterspeech») wird von vielen Menschen gelesen und kann diese dazu ermutigen, ebenfalls Stellung zu beziehen. Die Autor:innen und Anhänger:innen der ursprünglichen Hassbotschaften sehen diese sowie die vielen Likes auf die Gegenargumente.
Beim Widersprechen gilt allerdings: Antworten sollten nicht im selben Stil und mit denselben Methoden erfolgen wie die Hassbotschaften. Je nach Diskussionsebene des Kommentars gibt es folgende Möglichkeiten zu reagieren:
Argumentieren
Drehen sich die Äusserungen um Falschaussagen oder Scheinwissen, dann wählt einen Fakt aus und widerlegt diesen gezielt und genau. Gebt Informationsquellen per Link an oder fragt nach: «Gibt es eine Quelle? Von wem stammt die Studie?». Autor:innen und Daten können so überprüft werden.
Lasst Euch auch nicht durch «Themenhopping» irritieren oder ablenken. Benennt die Strategie: «Sie wollen hier mit Ihren vielen Thesen doch nur die Diskussion stören. Wir diskutieren zu Thema XY.»
Verdeutlichen
Erscheinen die Äusserungen eher fragend oder unbedacht, kann es hilfreich sein, zunächst eine PM («Private Message») zu schicken. Versucht deutlich zu machen, was an der Äusserung problematisch ist und sie zu einem diskriminierenden Post macht.
Konfrontieren
Offene Konfrontation ist dann geboten, wenn ein Post offensichtlich rassistisch oder antisemitisch ist. Wenn eine/r dagegenspricht, fühlen sich meist auch andere bestärkt, aktiv zu werden – versucht, diesen Effekt herzustellen.
Viele Menschen wollen diskriminierende Aussagen machen, dabei aber nicht als Rassisten oder Antisemiten bezeichnet werden. «Ich bin kein Rassist, aber …», «Ich habe ja nichts gegen Juden, aber was Israel macht ist nicht besser als …». Begründet in diesen Fällen, warum diese Menschen es trotzdem sind. Z.B. «Sie verallgemeinern über alle Einwohner eines Landes/Anhänger:innen einer Religion und werten diese ab».
Gegenrede Liken
Auch wer selbst nicht durch Counterspeech widersprechen möchte, kann zum Umdenken beitragen: Unterstützt Gegenreden mit Likes! Ob Worte oder ein «Gefällt mir»-Klick, das Wichtigste ist, aus der passiven Leserschaft herauszutreten.
Sich schützen
Setzt Euch eine Grenze: Beendet die Diskussion, wenn klar ist, dass sich nichts (mehr) bewegt. Ziel des Widerspruchs ist nicht, die Autor:innen diskriminierender Posts zu überzeugen, sondern eine demokratische Gegenöffentlichkeit sichtbar zu machen. Dies erreicht meist schon der erste Widerspruch. Die Störer:innen bekommen schliesslich auch keine Aufmerksamkeit mehr, um die es ihnen oft geht. Die Debatte läuft sich tot.
Schützt Euch selbst: Achtet auf Eure Privatsphäre-Einstellungen in den Sozialen Medien. Gebt dort nicht mehr Informationen an als unbedingt nötig und nichts frei für die Öffentlichkeit, was Euch ausserhalb des sozialen Netzwerks auffindbar machen könnte.
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.
Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich.
Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.
Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.
Foto: Alain Picard