Semit

Weitere Begriffe zum Thema Judentum:

Als Semit:innen wurden bis in die Neuzeit jene Völker verstanden, die in der hebräischen Bibel als Nachkommen des Sem, eines Sohnes Noahs, aufgeführt sind. Im 19. Jahrhundert erhielt der Begriff Semit:innen eine ideologische und judenfeindliche Bedeutung. Heute wird semitisch nur noch im sprachwissenschaftlichen Kontext verwendet.

Der Begriff Semit:innen wurde vermutlich vom deutschen Historiker August Ludwig von Schlözer 1771 geprägt. Er bezog sich dabei auf die Völkertafel im 1. Buch Mose (Gen. 10), in der die Nachkommen der drei Söhne Noahs (Sem, Ham und Jafet) aufgeführt sind. Zu den Nachkommen des Sem zählten unter anderem Akkadier:innen, Araber:innen, Äthiopier:innen, Hebräer:innen, Kanaaniter:innen, Phönizier:innen. Wenige Jahre später nahm J. G. Eichhorn den Begriff in die Sprachwissenschaft auf, wo Semit:innen als die Träger:innen der semitischen Sprachen galten. Die Sprachwissenschaft bündelte die in Genesis aufgelisteten Völker der Semit:innen, Hamit:innen und Jafetit:innen zu Sprachfamilien. Von diesen Bezeichnungen hat sich lediglich jene der semitischen Sprache gehalten. In der modernen Sprachwissenschaft gelten Arabisch, Hebräisch, neuaramäische Sprachen, Amharisch sowie einige ausgestorbene Sprachen des Alten Orients als semitische Sprachen.

Obwohl die im Buch Genesis genannten Nachkommen des Sem sich mit den Träger:innen der semitischen Sprachfamilie nicht deckten, bürgerte sich der Begriff Semit:innen in der Sprachwissenschaft und bald auch in der Volkskunde ein. Mit dem Aufkommen der antisemitischen Verbände und Parteien Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Ausdrücke Semit:in, Semitismus, Semitentum und semitisch synonym für Jud:innen und «Jüdisches» verwendet. Der Begriff Semit:innen wurde von Rassetheoretiker:innen aufgenommen und als Gegensatz zu «Arier:innen» konstruiert und abgewertet.

Von 1933 an hat das NS-Propagandaministerium der Presse angeordnet, vom Gebrauch des Wortes «Antisemitismus» Abstand zu nehmen: «In letzter Zeit taucht immer wieder der Begriff „Antisemitismus“ auf. Da durch diese Bezeichnung die Beziehungen zu den nicht jüdischen Semiten, namentlich der für uns besonders wichtigen panarabischen Welt, gestört werden, muss die Presse in Zukunft genau darauf achten, dass die Worte „Antisemitismus“, „antisemitisch“ durch Ausdrücke wie „Judengegnerschaft“, „Judenfeindschaft“ und „Antijudaismus“ bzw. „judenfeindlich“ und „antijüdisch“ ersetzt werden.» Diese Mahnung wurde in regelmässigen Abständen an die Presse gegeben. Die Öffentlichkeit hat den Begriff «Antisemitismus» offenbar genau so verstanden, wie er gemeint war: als «Judenfeindschaft».

Auch heute wird manchmal der Einwand laut, Antisemit:innen würden sich auch gegen Araber:innen wenden oder diese könnten keine Antisemit:innen sein, weil sie selber zu den Semit:innen gehörten. Die Wortschöpfung Antisemitismus und die damit verbundene Ideologie hat sich jedoch immer konkret gegen Jud:innen gerichtet.

Siehe auch die Einträge Antisemitismus und Arier.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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24.03.2025

Lesung und Gespräch zu «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.»

Am 8. Mai 2025 sprechen Judith Coffey und Vivien Laumann im Zollhaus Zürich über ihr Buch «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen».

Im Buch loten die Autorinnen das Verhältnis von Jüdischsein und weiss-Sein aus und gehen der spezifischen Unsichtbarkeit von Juden:Jüdinnen in der Mehrheitsgesellschaft nach. In Anlehnung an das Konzept der Heteronormativität erlaubt «Gojnormativität», Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft zu befragen und so ein anderes Sprechen über Antisemitismus zu etablieren.

Das Buch ist eine Aufforderung zu einem bedingungslosen Einbeziehen von Juden:Jüdinnen in intersektionale Diskurse und Politiken und zugleich ein engagiertes Plädoyer für solidarische Bündnisse und Allianzen.

Wann: 8. Mai 2025 um 19:00 Uhr
Wo: Zollhaus Zürich / online mit Livestream
Sprache: Deutsch und Verdolmetschung in Gebärdensprache (auf Anfrage)
Moderation: Prof. Dr. Amir Dziri
In Kooperation mit: ZIID und feministisch*komplex

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