Revisionisten / Revisionismus

Als Revisionist:innen bezeichnet man (und bezeichnen sich selbst) heute vor allem rechtextreme Holocaustleugner:innen. Ihr Revisionismus besteht darin, die Geschichtsschreibung in dem Sinne zu «revidieren», dass sie behaupten, das nationalsozialistische Deutschland habe keine Jud:innen in Gaskammern umgebracht. Das Leugnen des nationalsozialistischen Völkermordes an den Jud:innen gilt in der Schweiz gemäss Art. 261bis StGB als strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldbusse bestraft.

Revisionismus (von «revidere» = lateinisch «wieder (be)sehen») bedeutet im politischen Zusammenhang das Überprüfen und Ändern von politisch-ideologischen Grundsätzen. Der Begriff Revisionismus entstand ab 1896 in der innerparteilichen Auseinandersetzung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands: Die Parteirechten, die den Klassenkampf als überholte Ideologie betrachteten, wurden von der linken Parteiführung als Revisionist:innen bezeichnet. Innerhalb der sozialistischen Parteien wurde Revisionismus zum Schimpfwort gegen (vermeintlich) rechte Abweichungen. In den 1930er-Jahren bezeichneten die Kommunist:innen die Sozialdemokrat:innen als Revisionist:innen. Und nachdem sich die russische UdSSR und die Volksrepublik China in den 1960er-Jahren ideologisch zerstritten hatten, nannte die KP China die russischen Kommunist:innen stets «Sowjet-Revisionist:innen».

Wenn heute aber von Revisionist:innen die Rede ist, dann meint man meistens jene rechtsextremen Zirkel und Gruppen, die behaupten, es habe nie nationalsozialistische Todeslager mit Gaskammern gegeben und Hitler und seine Regierung hätten nie einen Völkermord am europäischen Judentum begangen. Solche sektiererische Kreise, in denen auch Historiker:innen mitarbeiteten, entstanden bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. In Deutschland und Frankreich waren ehemalige Nationalsozialist:innen und Sympathisant:innen stark daran interessiert, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren. Grossen Einfluss hatte ab 1948 der vom Sozialisten zum Antisemiten und Nazisympathisanten konvertierte Franzose Paul Rassinier. Auch in den USA regten sich schon früh Stimmen, die den Massenmord an den Jud:innen leugneten. Ein Schlüsselwerk des Revisionismus wurde «The Forced War» («Der erzwungene Krieg«, 1961) von David L. Hoggan. Der Förderer Hoggans war der Historiker Harry Elmer Barnes, der 1962 die Schrift «Revisionism and Brainwashing» («Revisionismus und Gehirnwäsche«) veröffentlichte – hier taucht der Begriff Revisionismus auf, den die Holocaustleugner:innen seither für sich beanspruchen. Seit 1978 ist das pseudowissenschaftliche Institute for Historical Review in Torrance (Kalifornien) ihr geistiges Zentrum.

In Deutschland hatte vor allem der Historiker Ernst Nolte (*1923) einen grossen Einfluss. 1986 lösten seine Thesen, wonach Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion ein Präventivschlag gewesen sein soll, den deutschen Historikerstreit aus. Nolte relativierte zunächst den Holocaust, indem er den nationalsozialistischen Judenmord als Reaktion auf die Politik Stalins bezeichnete. Später aber stellte er auch die Funktion der Gaskammern in Frage und bezog sich dabei auf den 1988 erschienenen «Report» des Revisionisten Fred A. Leuchter, der behauptete, es habe keine Vergasungen in den Gaskammern gegeben.

Die Revisionist:innen stellen ihre Schriften gerne als «andere wissenschaftliche Meinung» dar – und genau darin zeigt sich die Problematik des Begriffs Revisionismus: Ist die Leugnung des nationalsozialistischen Genozids eine «Revision»? Immerhin ist diese Leugnung gemäss Art. 261bis StGB eine rassistische Straftat. Kann also einer Tatsache wie dem Judenmord eine Lüge als «andere Meinung» gegenüber gestellt werden? Die Antwort lautet: Nein.

Siehe auch die Einträge Diskriminierungs-StrafnormGenozidHolocaust und Vergasung.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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24.03.2025

Lesung und Gespräch zu «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.»

Am 8. Mai 2025 sprechen Judith Coffey und Vivien Laumann im Zollhaus Zürich über ihr Buch «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen».

Im Buch loten die Autorinnen das Verhältnis von Jüdischsein und weiss-Sein aus und gehen der spezifischen Unsichtbarkeit von Juden:Jüdinnen in der Mehrheitsgesellschaft nach. In Anlehnung an das Konzept der Heteronormativität erlaubt «Gojnormativität», Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft zu befragen und so ein anderes Sprechen über Antisemitismus zu etablieren.

Das Buch ist eine Aufforderung zu einem bedingungslosen Einbeziehen von Juden:Jüdinnen in intersektionale Diskurse und Politiken und zugleich ein engagiertes Plädoyer für solidarische Bündnisse und Allianzen.

Wann: 8. Mai 2025 um 19:00 Uhr
Wo: Zollhaus Zürich / online mit Livestream
Sprache: Deutsch und Verdolmetschung in Gebärdensprache (auf Anfrage)
Moderation: Prof. Dr. Amir Dziri
In Kooperation mit: ZIID und feministisch*komplex

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