Männliche Beschneidung ist eine der ältesten und weltweit am weitesten verbreiteten chirurgischen Eingriffe. Sie besteht aus der teilweisen Abtrennung der Penisvorhaut und wird aus religiösen, kulturellen, sozialen und medizinischen Gründen praktiziert.
Im Islam und im Judentum wird die Beschneidung aus religiösen Gründen durchgeführt. Jüdische männliche Neugeborene werden im Alter von acht Tagen beschnitten, falls keine medizinischen Kontraindikationen vorliegen. Das Gebot der «Brit Mila» (Hebräisch für «Bund der Beschneidung») gründet auf dem Bund zwischen Abraham und Gott: «Und Gott sprach zu Abraham: Du aber, halte meinen Bund, du und deine Nachkommen, von Generation zu Generation. […] Am Fleisch eurer Vorhaut sollt ihr euch beschneiden lassen. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Im Alter von acht Tagen soll alles bei euch, was männlich ist, beschnitten werden.» (Gen. 17, 9-12).
Die islamische Gemeinschaft ist die grösste religiöse Gruppe, die die Beschneidung kennt. Auch sie bezieht sich dabei auf den Stammvater Abraham. Die «tehara» (Türkisch für «Reinigung») gilt als Bestätigung der Beziehung zu Gott. Das Gebot der Beschneidung wird im Koran nicht erwähnt und gilt nur den «Schafiiten», einer der sechs islamischen Rechtsschulen als obligatorisches Gesetz. Alle anderen unterstützen den Brauch als Tradition. Männer, die die Pilgerreise nach Mekka («Hajj»), einer der «fünf Säulen des Islam», unternehmen wollen, müssen beschnitten sein. Es gibt kein einheitliches Alter für die Durchführung der Beschneidung im Islam. Sie darf zwischen Geburt und Pubertät durchgeführt werden.
Nicht aus religiösen Gründen, sondern aus traditionell-kulturellen Gründen praktizieren viele ethnische Gruppen im südlichen Afrika und in einigen Gebieten Asiens die männliche Beschneidung seit vielen Jahrhunderten. Dabei handelt es sich in der Regel um ein Initiationsritual für den Übergang vom Knaben- ins Mannesalter.
In der industrialisierten Welt sind es vor allem englischsprachige Länder, in denen hohe Prozentzahlen der Männer beschnitten sind: in den USA sind es 50-60% der nicht-muslimischen und nicht-jüdischen Männer. Zu den zentralen Motiven gehören hier verbesserte Hygiene, ein vermindertes Risiko, an Harnwegentzündungen und Peniskrebs zu erkranken oder sich mit sexuell übertragenen Infektionen anzustecken. Studien zeigen, dass beschnittene Männer ein bis zu 60% geringeres Risiko haben, sich beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit HIV/Aids anzustecken, weshalb sich vermehrt auch im südlichen Afrika, wo die HIV-Ansteckungsrate hoch ist, Männer aus medizinischen Gründen beschneiden lassen. Einen zuverlässigen Schutz vor HIV bietet eine Beschneidung freilich nicht. Je jünger die Beschnittenen sind, desto geringer sind medizinische Komplikationen. Sie treten in 0.2 bis 2% der Fälle auf, bei Neugeborenen in 0.2-0.4%. Die grössten gesundheitlichen Gefahren für Knaben bergen rituelle Massenbeschneidungen im afrikanischen Hinterland, weil Instrumente oft nicht für den Eingriff geeignet sind und zwischen den Eingriffen nicht gereinigt werden. Die männliche Beschneidung ist mit der weiblichen Genitalverstümmelung nicht vergleichbar. Letztere hat gravierende und lebenslange gesundheitliche Folgen, während bei der Beschneidung der Männer eher gesundheitliche Vorteile zu erwarten sind. In jüngster Zeit haben kritische Stimmen aber eingewendet, die männliche Beschneidung stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Kindern dar und könne negative psychische Folgen sowie eine Verminderung der sexuellen Empfindung zur Folge haben. Gesicherte Erkenntnisse diesbezüglich gibt es keine.
Siehe auch den Begriff weibliche Beschneidung.
© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015