Judenstern

Mit der Polizeiverordnung vom 19. September 1941 waren alle Jud:innen mit der Vollendung ihres sechsten Lebensjahres dazu gezwungen, einen handtellergrossen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der Aufschrift «Jude» sichtbar auf ihrer linken Brustseite zu tragen. Mit dieser diskriminierenden Verordnung wurden alle Jud:innen im NS-Staat, inklusive des Protektorats Böhmen und Mähren, für alle sichtbar als minderwertige und zu meidende Personen gekennzeichnet.

Kennzeichnungen für Jud:innen gehen sehr weit in die Geschichte zurück und lassen sich bereits auf das Jahr 634 n. Chr. datieren. Der Kalif des arabischen Grossreichs forderte eine sichtbare Unterscheidung von Jud:innen und Sarazen:innen (Muslim:as), um eine «Vermischung und Verwechslung der Ungläubigen mit den Gläubigen zu verhüten». Dies galt zur damaligen Zeit jedoch nicht nur für Jud:innen, sondern auch für Christ:innen der islamischen Länder. Allerdings unterschieden sich die Kennzeichnungen in Form und Farbe. Jud:innen sollten gelbe Kopfbinden oder einen gelben Gürtel sichtbar tragen.

Im Verlauf der Geschichte waren Jud:innen durch einzelne Verordnungen in verschiedenen christlich geprägten Ländern des Abendlandes zum Tragen von Kennzeichnungen gezwungen. In Preussen entfiel die Kennzeichnungspflicht erst 1790, in Österreich wurde diese bereits 100 Jahre zuvor abgeschafft.

Nachdem die deutsche Wehrmacht im September 1939 in Polen einmarschiert ist, befahl der SA-Führer und Stadtkommandant von Leslau (Włocławek) im Oktober desselben Jahres Jud:innen der Stadt ein 15x15cm grosses gelbes Dreieck auf dem Rücken zu tragen.  Nur wenig später ordnete Hans Frank für alle Jud:innen des Generalgouvernements das Tragen einer weissen Armbinde mit einem blauen Davidstern ab dem 12. Lebensjahr an.

Ab September 1941 waren alle Jud:innen des NS-Staates durch eine Polizeiverordnung ab dem 6. Lebensjahr dazu gezwungen, einen Stern aus gelbem Stoff mit der Aufschrift «Jude» auf der linken Brustseite erkennbar zu tragen. Die Verteilung bzw. der Verkauf dieser Kennzeichen oblag der «Reichsvereinigung der Juden in Deutschland» und den Jüdischen Gemeinden in Wien und in Prag. Die Stoffbahnen zur Herstellung der gelben Sterne mussten die Institutionen ankaufen und mit Gewinn an jüdische Träger:innen verkaufen, um die Ausgaben der Organisationen zu decken. Über die Kennzeichnungspflicht wurden Jud:innen im «Jüdischen Nachrichtenblatt» informiert. In der Ausgabe vom 12. September 1939 wurde neben dem Hinweis auf Verkaufsstellen und Ausgabezeitpunkt, ebenfalls der Preis von 0,10 RM pro Stück angegeben. Erwerben konnten Jud:innen die Kennzeichnungen nur durch Vorlage von Bezugsausweisen, die Empfänger mussten den Erhalt quittieren.

Im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie und den damit einhergehenden Demonstrationen gegen die vom Bund verordneten Schutzmassnahmen, wurden die gelben Sterne erneut von Demonstrant:innen aufgegriffen und mit Aufschriften wie «Ungeimpft» versehen. Auch wenn dies nicht zwangsläufig auf ein antisemitisches Motiv hindeutet, relativieren solche Handlungen die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialist:innen und deuten auf ein verwässertes Geschichtsverständnis in der Gesellschaft.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2022, unter Mitarbeit von Dr. phil. Darja Pisetzki, ehem. Projektmitarbeiterin der GRA.

Weiterführende Literaturhinweise:

Jens J. Scheiner, Vom gelben Flicken zum Judenstern? Genese und Applikation von Judenabzeichen im Islam und christlichen Europa (849-1941), Frankfurt am Main 2004.

 

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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