Judenrepublik

Als «Judenrepublik» wurde die Weimarer Republik von ihren Gegner:innen bezeichnet. Dem Begriff liegt ein Verschwörungsmythos zugrunde, demnach eine vermeintliche jüdisch-freimaurerische Verschwörung für den Ersten Weltkrieg, den Bolschewismus und den Niedergang des Deutschen Kaiserreiches verantwortlich ist.

Die Weimarer Republik entstand in Folge der Niederlage und Kapitulation Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Seit Anbeginn der Republik litt sie unter Instabilität und die Festigung der Demokratie gestaltete sich als sehr schwierig. Unter anderem war es die sogenannte «Dolchstosslegende», die als eine der Ursachen, für die Legitimitätskrise angesehen wird. Der «Dolchstosslegende» nach verlor Deutschland den Krieg als Ergebnis eines vermeintlichen Verrats interner Gegner:innen, an erster Stelle «der Jud:innen».  Das vorherrschende Gefühl der Frustration und die Weigerung, die Situation zu akzeptieren, schufen einen Nährboden für die Entstehung nationalistischer Gruppierungen.

Bereits während des Ersten Weltkrieges wurden Jud:innen als «Drückeberger» und der innenpolitische Umbruch als «Judenrevolution» bezeichnet. Die Weimarer Republik wurde von ihren Gegner:innen als «Judenrepublik» diffamiert, deren Gründung durch eine angebliche «Juden- und Freimaurerverschwörung» (Siehe Artikel: «Freimaurer») geschah. Die Verschwörungsmythen besagten, jüdische Freimaurerlogen wären für den Krieg, den Bolschewismus und den Niedergang des Deutschen Kaiserreichs verantwortlich. Diese Vorstellungen, wie auch die «Dolchstosslegende», dienten als Legitimierung für die antiparlamentarische und antidemokratische Agitation der politischen Rechten.

Dieser Verschwörungsmythos erlebte seither immer wieder eine Renaissance. Ende der 1920er Jahre nutzten die Nationalsozialist:innen die vermeintliche jüdisch-freimaurerische Verschwörung als Legitimation für ihre Vernichtungspolitik. Während der Finanzkrise 2008/2009 keimte der Mythos erneut in rechtsextremen Kreisen auf. Auf einer Aschermittwochs-Veranstaltung im Jahr 2009 hielt der Fraktionschef der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag eine Rede, in der er u.a. von einem bevorstehenden Zusammenbruch des «Finanzgebäudes dieser Judenrepublik» sprach. Damit zog der damalige Fraktionschef gedanklich eine Verbindung zwischen der Finanzkrise und der vermeintlichen jüdischen Omnipräsenz im Finanzsektor. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft hat aufgrund dieses Vorfalls noch im selben Jahr eine Klage wegen Verdachts der Volksverhetzung gegen den NPD-Politiker eingereicht.

Im Zuge der Corona-Pandemie flammte der Verschwörungsmythos rund um die vermeintliche «Judenrepublik» aufs Neue auf. Während einiger Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen riefen rechtsextreme Redner:innen u.a. zum «bewaffneten Sturz der Judenrepublik» auf. Auch hier geht der deutsche Verfassungsschutz juristisch gegen die Redner:innen vor, wegen Verdachts auf Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2021, unter Mitarbeit von Dr. phil. Darja Pisetzki, ehem. Projektmitarbeiterin der GRA.

Weiterführende Literaturhinweise:

Arnon Hampe: Judenrepublik, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Ideologien, Theorien. De Gruyter Saur, Berlin 2008, S. 157-159.

Wolfram Selig: Dolchstosslegende, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Ideologien, Theorien. De Gruyter Saur, Berlin 2008, S. 60f.

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Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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