Judas

Judas gehörte bis kurz vor dem Tod Jesu zu den Zwölf Apostel. Laut dem Neuen Testament trug er dazu bei, dass Jesus durch sein Handeln zu Tode kam. Im Lukasevangelium wird Judas vom Evangelisten Lukas (6,16) erstmals als «Verräter» bezeichnet. Seit dem 4. Jahrhundert verbreitete sich das verallgemeinernde und zugleich antisemitische Bild des Judas als Personifizierung des bösen und hinterhältigen Juden. Noch heute wird der Name «Judas» in verschiedenen Kontexten als antisemitisches Codewort für Verräter:innen und Lügner:innen verwendet.

Die Dämonisierung Judas` lässt sich in der Patristik seit dem 4. Jahrhundert nachweisen. Hier wird der Teufel als treibende Macht hinter seinem Handeln behauptet. Im 12. Jahrhundert wurde dieses antijudaistische Bild durch die sogenannte «Judas-Legende» erweitert. Der Legende nach ist Judas der Vorreiter aller Jud:innen und zugleich der Inbegriff des Sünders. Somit sind laut der Legende alle Jud:innen Sünder:innen und ihnen bleibe nur die Taufe als Ausweg aus der Kollektivschuld am Tod Jesu, dem sogenannten «Gottesmord».

Ihren Höhepunkt erreichte die negative Judas-Rezeption im nationalsozialistischen Hetzblatt «Der Stürmer». Im Hetzblatt war Judas ein saisonales Spezialthema in den Osterausgaben. Dabei wurde Jesus zum Arier verklärt und somit zum Gegenpol des Judas. Die hierin verwendete Bildsprache wurde direkt aus dem kirchlichen Antijudaismus übernommen.

Noch heute finden sich verschiedene Varianten der antijüdischen Polemik, in welcher der:die Jud:in ein «Judas» ist und dieser wiederum ein Verräter und Lügner. Im Sport gilt «Judas» als stereotypes und antisemitisches Schimpfwort. Als «Judas» werden Spieler:innen bezeichnet, die für eine bestimmte Summe zur gegnerischen Mannschaft wechseln und somit den heimischen Fussballclub in den Augen der Fans verraten. Dieses Sinnbild greift zugleich den uralten Stereotypen des «geldgierigen Juden» auf. In der britischen Presse kommt es häufig vor, dass Fussballspieler, die als Verräter angesehen werden, als «Judas» bezeichnet oder mit der symbolischen Vorstellung des verräterischen «Judas» in Vergleich gesetzt werden[1]. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist eine Liste der «Five football Judas figures even Jesus couldn`t forgive»[2]. Dabei handelt es sich um Namen der Spieler, die am meisten für einen Fussballclubwechsel verachtet und als Verräter betrachtet werden. Doch auch in anderen Bereichen, wie der Politik, Kultur und Literatur wird der Name «Judas» verwendet, um eine:n ausgemachten Verräter:in zu stigmatisieren. Die Verwendung dieses Codeworts führt auch ausserhalb von rechtsextremen Kreisen zur Verbreitung und Erhaltung des antisemitischen Stereotyps in der breiten Öffentlichkeit.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2021, unter Mitarbeit von Dr. phil. Darja Pisetzki, ehem. Projektmitarbeiterin der GRA.

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24.03.2025

Lesung und Gespräch zu «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.»

Am 8. Mai 2025 sprechen Judith Coffey und Vivien Laumann im Zollhaus Zürich über ihr Buch «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen».

Im Buch loten die Autorinnen das Verhältnis von Jüdischsein und weiss-Sein aus und gehen der spezifischen Unsichtbarkeit von Juden:Jüdinnen in der Mehrheitsgesellschaft nach. In Anlehnung an das Konzept der Heteronormativität erlaubt «Gojnormativität», Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft zu befragen und so ein anderes Sprechen über Antisemitismus zu etablieren.

Das Buch ist eine Aufforderung zu einem bedingungslosen Einbeziehen von Juden:Jüdinnen in intersektionale Diskurse und Politiken und zugleich ein engagiertes Plädoyer für solidarische Bündnisse und Allianzen.

Wann: 8. Mai 2025 um 19:00 Uhr
Wo: Zollhaus Zürich / online mit Livestream
Sprache: Deutsch und Verdolmetschung in Gebärdensprache (auf Anfrage)
Moderation: Prof. Dr. Amir Dziri
In Kooperation mit: ZIID und feministisch*komplex

>>Tickets kaufen: ZIID Zürcher Institut für interreligiösen Dialog
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