Holocaust

Holocaust, das griechische Wort für ein antikes Brandopfer, wurde im Grossbritannien und in den USA schon kurz nach dem Krieg für die nationalsozialistische Judenvernichtung gebraucht. Im deutschen Sprachraum verbreitete sich der Begriff erst ab 1979, nach der Ausstrahlung der amerikanischen Fernsehserie «Holocaust».

Heute ist Holocaust international die gebräuchlichste Bezeichnung für den nationalsozialistischen Völkermord an den europäischen Jud:innen. Selbst in Deutschland wird das 2005 in Berlin eingeweihte Denkmal für die ermordeten Jud:innen offiziell «zentrale Holocaust-Gedenkstätte» genannt.

Das Wort Holocaust ist abgeleitet aus den griechischen Wörtern «holos» (ganz, vollständig) und «kaíein» (verbrennen, verwüsten). «Holokaútoma» (lateinisch «holocaustum») waren in der Antike religiöse Opferriten, bei denen das Opfertier ganz verbrannt wurde. In der griechischen und später der lateinischen Bibelübersetzung nannte man auch die alttestamentarischen Brandopfer Holocaustum. Ab dem 16. Jahrhundert wurde Holocaust in England für Feuersbrünste gebraucht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichneten britische Autor:innen die Pogrome an den türkischen Armenier:innen – noch vor dem eigentlichen Völkermord von 1915 – als Holocaust. Hier wurde das Wort erstmals mit politisch motivierten Massenmorden verknüpft (z. B. in Ducket Ferriman: The Young Turks and the Truth about the Holocaust in Asia Minor during April 1909; London 1913).

Bereits während des Zweiten Weltkriegs tauchte in britischen Medien die Bezeichnung Holocaust für die Verfolgung und Vernichtung der Jud:innen durch die Nationalsozialist:innen auf. Nach dem Krieg setzte sich Holocaust im angelsächsischen Sprachgebiet durch und wandelte sich mit der Zeit immer mehr vom allgemeinen Oberbegriff für alle Naziverbrechen zum spezifischen Begriff für die Judenvernichtung durch die Nazis. In den USA war er so gebräuchlich, dass NBC 1978 eine vierteilige Fernsehserie von Gerald Green und Marvin Chomsky über das Schicksal einer jüdischen Familie im Dritten Reich «Holocaust» nannte.
Im Januar 1979 strahlten die Dritten Programme des Westdeutschen Rundfunks die Serie «Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss» aus. Der siebenstündige Film zeigt die Judenverfolgung am Beispiel zweier fiktiver Berliner Familien – der jüdischen Arztfamilie Weiss und der Familie des Karrieristen Erik Dorf, der als Mitarbeiter von Heydrich an der Judenvernichtung teilnimmt. Der Weg der Familien führt von der Diskriminierung der Jud:innen um 1935 bis zum Massenmord. Ein einziger Sohn der Familie Weiss überlebt als Untergrundkämpfer; der Nationalsozialist Erik Dorf erschiesst sich, als der Krieg verloren ist.

Die Wirkung von «Holocaust» übertraf in Deutschland alle Erwartungen. 12,6 Prozent der Erwachsenen, 5,3 Millionen Menschen, schauten sich sämtliche vier Teile an. Die Hälfte aller Bundesbürger:innen über 14 Jahre hatte mindestens eine Folge gesehen. Noch nie hatte eine Fernsehproduktion so viele Deutsche so tief erschüttert. In vielen Familien wurde der Elterngeneration zum ersten Mal die Frage gestellt: Was habt ihr damals gewusst und gemacht? Fünf Monate später, am 3. Juli 1979, entschied der Deutsche Bundestag mit 255 zu 222 Stimmen, dass Mord und Völkermord unverjährbar seien.

Seither ist Holocaust auch in Deutschland die häufigste Umschreibung für den Völkermord an den Jud:innen geworden. Dies, obwohl kritische Stimmen stets fanden, das historisch einzigartige Verbrechen werde mit dem Wort für ein religiöses Brandopfer verharmlost.

Siehe auch die Stichworte ShoahEndlösung, GenozidPorajmosKonzentrationslager.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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