Heiliger Krieg

Seit der Antike wurden Kriege häufig als religiöse Verpflichtung legitimiert. Im Mittelalter wurden die Kreuzzüge gegen die Muslim:as zur Rückeroberung von Jerusalem als Heilige Kriege ausgerufen. Den Kreuzrittern versprach die Kirche die Vergebung aller Sünden. Eine Belohnung im Jenseits kennt auch der islamische Jihad als Kampf zur Verteidigung des Glaubens.

In der griechischen Antike hatte sich ein Bund von Stadtstaaten um das Heiligtum von Delphi gebildet. Zu dessen Verteidigung führten einzelne Städte zwischen 600 und 338 v. Chr. vier Kriege, die als die vier Heiligen Kriege in die Geschichtsbücher eingingen.

Im Alten Testament und in den Schriften der Propheten sind eine Vielzahl von Kriegen als Kriege Gottes oder als von Gott unterstützte Kriege beschrieben. So beim Auszug aus Ägypten, als Gott das Heer der Ägypter:innen im Roten Meer ertränkte: «Und die Ägypter sollen erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich meine Herrlichkeit zeige am Pharao, an seinen Streitwagen und seinen Reitern. (…) Und Israel sah, wie der Herr mit mächtiger Hand an Ägypten gehandelt hatte, und das Volk fürchtete den Herrn; und sie glaubten an den Herrn und an Moses, seinen Diener.» (2. Mos. (Exodus) 14, 18/31) Der Ausdruck «Heiliger Krieg» kommt im Alten Testament nur an einer Stelle vor, im Buch des Propheten Joel. In manchen Bibelübersetzungen wird das Wort «heilig» unterschlagen, nicht aber in der Zürcher Bibel (Revision 2007): «Ruft dies aus unter den Nationen: Erklärt den Krieg für heilig! Setzt die Helden in Bewegung! Herkommen, heraufkommen sollen alle Krieger!» (Joel 4, 9)

Das bis heute nachwirkende Konzept des Heiligen Krieges aus christlicher Sicht stammt aus der Zeit der Kreuzzüge. Sie waren quasi doppelt Heilige Kriege: Erstens wurden sie im Namen Gottes geführt («Deus lo vult!», Gott will es!, war der Schlachtruf), und zweitens war ihr Ziel, die heiligen Stätten der Bibel, insbesondere Jerusalem, von den Muslim:as zurückzuerobern. Papst Urban II. rief 1095 auf dem Konzil von Clermont zum ersten Kreuzzug auf: «Bewaffnet euch mit dem Eifer Gottes, liebe Brüder, gürtet eure Schwerter an eure Seiten, rüstet euch und seid Söhne des Gewaltigen! (…) Ziehet aus, und der Herr wird mit euch sein. Wendet die Waffen, mit denen ihr in sträflicher Weise Bruderblut vergiesst, gegen die Feinde des christlichen Namens und Glaubens.» Den Teilnehmer:innen am Kreuzzug versprach der Papst: «Und wenn einer dort in wahrer Busse fällt, so darf er fest glauben, dass ihm Vergebung seiner Sünden und die Frucht ewigen Lebens zuteil werden wird.»

Die Kreuzzüge der Christ:innen waren für die Muslim:as Verteidigungskriege für den Islam – sie hatten dafür schon seit der Frühzeit des Islam einen Begriff: Jihad (arabisch für «Anstrengung», «Bemühen»). Auch den Gefallenen des Jihad winkte als Belohnung das Paradies. Der kriegerische Aspekt des Jihad wurde in jüngster Zeit vor allem von national-islamischen Befreiungsbewegungen und später auch von islamistischen Terrororganisationen betont. Letztere übersetzen ihren Jihad auch selbst mit «holy war» oder «Heiliger Krieg», obwohl dieser Wortgebrauch von den christlichen Kreuzrittern stammt.

Im Zeitalter des Nationalismus wurden in Europa viele Kriege und Schlachten bis hin zu den beiden Weltkriegen als heilig bezeichnet. Meist waren dies rhetorische Aufblähungen, ohne wirklich religiösen Kern. So verfasste 1813 der deutsche Dichter und Politiker Ernst Moritz Arndt (1769-1860) gegen die napoleonische Besetzung einen blutrünstigen «Katechismus des teutschen Kriegs- und Wehrmanns», in dessen 5. Kapitel es heisst: «Denn wer Tyrannen bekämpft, ist ein heiliger Mann, und wer Übermut steuert, tut Gottes Dienst. Das ist der Krieg, welcher dem Herrn gefällt; das ist das Blut, dessen Tropfen Gott im Himmel zählt.»

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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