Einsatzgruppen

«Einsatzgruppen» hiessen die mobilen Tötungseinheiten der SS, die in den von den Deutschen besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkrieges hinter den einmarschierenden Truppen vorrückten. Sie waren ein wesentliches Organ der «Endlösung» in Russland. Als die Wehrmacht 1943 ihren Rückzug begann, hatten die «Einsatzgruppen» rund 1,25 Millionen jüdische und Hunderttausende andere sowjetische Staatsangehörige ermordet.

Schon beim Anschluss Österreichs im März 1938 und beim deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei im März 1939 wurden «Einsatzgruppen» als Sondereinheiten der Polizei eingesetzt. Sie dienten in den neu besetzten Ländern als provisorische Dienststellen des Sicherheitsdienstes (SD) und der Sicherheitspolizei (SiPo). Beim Überfall auf Polen ab September 1939 wurden sechs «Einsatzgruppen» mit dem Auftrag der «Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlicher Elemente im Feindesland rückwärts der fechtenden Truppe» aufgestellt. Sie führten Verhaftungen, Geiselerschiessungen und Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung und polnische Aufständische durch. Im November 1939 wurden die «Einsatzgruppen» in Polen aufgelöst. Ihre Mitglieder wurden in die ständigen Dienststellen des SD und der SiPo integriert.

Mit dem Einmarsch in die Sowjetunion kamen vier neue «Einsatzgruppen» mit rund 3000 Männern zum Einsatz. Sie waren den Heeresgruppen und Armeen der Wehrmacht angegliedert. Die «Einsatzgruppen» waren in «Einsatzkommandos» und «Sonderkommandos» unterteilt. Sie setzten sich aus Angehörigen der SiPo und SD, aus kleineren Gruppen der Waffen-SS und aus drei Kompanien der Ordnungspolizei-Reserve-Bataillons zusammen. Bei Massenmordaktionen wurden sie zuweilen von örtlichen Hilfstruppen aus den besetzten Gebieten und von Wehrmachtsabteilungen unterstützt. Letztere bewachten die zusammengetriebenen Zivilpersonen und sicherten das Areal, auf dem sie ermordet wurden.

Die «Einsatzgruppen» trieben Männer, Frauen und Kinder in nahe gelegene Wälder, Schluchten oder verlassene Steinbrüche und erschossen sie dort. An einigen Orten liessen sie von den Opfern Gruben ausheben. Vor den Erschiessungen mussten sich diese entkleiden und an den Rand der Gruben stellen.

Damit die Mörder:innen ihre «Arbeit» psychisch verkrafteten, wurden ihnen von ihren Vorgesetzten grosse Mengen hochprozentigen Alkohols zur Verfügung gestellt. Ab August 1941 lieferte Berlin zudem allen Einsatzgruppen Lastwagen mit mobilen Gaskammern, mit denen den Mörder:innen das Töten erträglicher gemacht wurde.

Die Leiter der «Einsatzgruppen» wurden in den Nürnberger Folgeprozessen 1947/48 verurteilt, alle anderen Beteiligten kehrten unbescholten ins bürgerliche Leben zurück. 1958 wurden zehn Kommandeure, Offiziere und Unteroffiziere im «Ulmer Einsatzgruppen-Prozess» angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt. Die meisten beriefen sich auf einen Befehlsnotstand und sagten aus, sie hätten unter Zwang gehandelt. In einem viel beachteten Buch unter dem Titel «Ganz normale Männer» (Reinbek b. Hamburg, Rowohlt Verlag, 1993) hat der Historiker Christopher Browning für das Reserve-Polizeibataillon 101 in Polen nachgewiesen, dass ein solcher Notstand nicht existierte. Wer sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlte, konnte sich ohne Sanktionen von den Mordaktionen dispensieren lassen und sich für andere Befehle zur Verfügung stellen.

Siehe auch die Begriffe Endlösung und Sonderkommando.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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