Diaspora

Weitere Begriffe zum Thema Judentum:

Der Begriff Diaspora bezeichnet religiöse, nationale oder ethnische Gemeinschaften, die fern von ihrem ursprünglichen Zentrum als Minderheit leben. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet «Zerstreuung», «Verbreitung».

«Und der Herr wird dich über alle Länder zerstreuen» ist eine der vielen Strafen, die dem Volk Israel im 4. Buch Mose (Dtn. 28,64) angedroht werden, wenn es die Gesetze nicht einhält. In der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel im 3. Jahrhundert v. Chr. (der sogenannten «Septuaginta») lautet dieser Satz: «Du sollst eine Diaspora sein in allen Reichen auf Erden». Die «Septuaginta» sollte der damaligen (hellenisierten) jüdischen Minderheit in Ägypten die jüdischen Schriften zugänglich machen. Diaspora bezeichnete hier folgerichtig nicht nur einen negativen Prozess der Zerstreuung, sondern auch die spezifische Lebenssituation von jüdischen Gemeinschaften ausserhalb Palästinas.

Die zwei Ebenen der «Zerstreuung» finden ihren Niederschlag in den unterschiedlichen Begriffen «Exil» und Diaspora. «Exil» bezeichnet die unfreiwillige, erzwungene Vertreibung, Ausweisung oder Verstossung in die Fremde. Der Begriff verweist auf einen vorläufigen Status und auf den Wunsch, das Exil zu beenden und heimzukehren. Diaspora hingegen bezeichnet die Lebenssituation von Gemeinschaften jenseits der gemeinsamen (historisch belegten oder mythisch vorgestellten) Heimat.

Kriege, Vertreibungen, wirtschaftliche Notlagen und Globalisierung haben im 19. und 20. Jahrhundert eine grosse Zahl von Flüchtlingsströmen und Migrationen ausgelöst und damit viele diasporische Situationen entstehen lassen. Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1960er Jahren wurde erstmals von einer afrikanischen oder «Schwarzen Diaspora» gesprochen. Hier wurden nicht Merkmale der Abstammung oder die Vorstellung einer gemeinsamen Heimat in den Mittelpunkt gestellt, sondern die gemeinsame Geschichte der Sklaverei und die Erfahrung der Unterdrückung. Zur gleichen Zeit begann sich im Rahmen der «Asian American Movement» die chinesische Diaspora als solche zu verstehen.

Im religionsgeschichtlichen Kontext hat Diaspora in Anlehnung an die jüdische Diaspora immer noch eine negative Bedeutung. In der neueren Kulturwissenschaft hat der Begriff eine positive Umwendung erfahren. Die diasporische Situation ermöglicht – zumindest in der Theorie – die Vorstellung von Identitäten, die nicht an nationale Grenzen gebunden sind, sondern die Begegnung und Integration verschiedener kultureller, religiöser und ethnischer Aspekte beinhalten. Die Verbindung und Loyalität zum Herkunftsland kann sich in der diasporischen Situation aber auch verstärken und zur Abschottung gegen Andere führen.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

Glossar
Wir helfen

Vorfall melden

Wurden Sie Zeug:innen eines rassistischen oder antisemitischen Vorfalls oder wurden Sie selbst rassistisch oder antisemitisch beleidigt oder angegriffen?

20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

Mehr erfahren
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin