Arier

Als Arier:innen bezeichnete die Sprachwissenschaft die Völker der indoiranischen Sprachgruppe (Meder:innen, Perser:innen, Inder:innen). In den Rassentheorien des 19. und 20. Jahrhunderts erhielt der Begriff Arier:innen eine ideologische und antisemitische Bedeutung, welche die Nationalsozialist:innen bis zum Völkermord an den Jud:innen steigerten. Von Neonazi-Gruppen wird «Arier» heute noch als Synonym für die «weisse Rasse» gebraucht, um deren genetische Überlegenheit zu behaupten.

«Arya» («Edle») ist als Selbstbezeichnung aus Inschriften des alten Iran und Indien belegt. Noch der letzte Schah von Persien trug unter anderem den Titel «Licht der Arier». Die europäische Geschichts- und Sprachwissenschaft nahm die Existenz eines nomadischen indogermanischen Hirtenvolkes der Arier:innen an, das im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung aus Zentralasien nach Indien und Iran eingewandert war. Diese Theorien stützen sich auf die heiligen Schriften des Avesta (Iran) und der Veden (Indien).

Die Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts entdeckte auffällige Ähnlichkeiten der indischen, iranischen, kurdischen und europäischen Sprachen. Daraus entwickelte sie die Vorstellung einer indogermanischen Sprachgruppe, deren Völker man als Arier:innen bezeichnete. Die mit dem indischen Sanskrit verwandten Sprachen werden linguistisch als indoarische Sprachen bezeichnet.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Arier:innen von den Rassentheoretiker:innen aufgenommen und in rassistische Ideologien eingebaut. Joseph Arthur de Gobineau behauptete in seinem vierbändigen Werk «Essai sur l’inégalité des races humaines» (1853/55) die Überlegenheit der «arischen Rasse» über alle anderen Völker. Diese Rassenideologien bekamen eine immer stärkere antisemitische Stossrichtung. Dem idealisierten «Arier» wurde als Negativbild der «Jude» gegenübergestellt. Besonders Houston Steward Chamberlains Werk «Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts» (1899) hatte direkten Einfluss auf Adolf Hitler und die nationalsozialistische Rassenideologie.

Die Nationalsozialist:innen erklärten die Arier:innen zur weissen, indogermanischen Herrenrasse, deren Ursprung nicht in Zentralasien, sondern in Nordeuropa liege. Zu Beginn ihrer Herrschaft erliessen sie am 7. April 1933 das «Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums», dessen Paragraf 3 «Arierparagraf» genannt wurde: «Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen.» In der Verordnung zu diesem Gesetz hiess es: «Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Grosseltern abstammt.» Das war der erste Schritt zur Verdrängung der Jud:innen aus Staat und Gesellschaft. Ein weiterer Schritt waren die Nürnberger Rassegesetze vom September 1935, die unter anderem Ehen zwischen Jud:innen und Nichtjud:innen verboten. Von da an führte ein direkter Weg zum Völkermord der Nationalsozialist:innen an den europäischen Jud:innen.

Nach dem Zusammenbruch des NS-Systems lebten die Vorstellungen von einer «arischen Rasse» in den Zirkeln von Neonazis in Europa und in den USA – bis heute – weiter. So existiert in den USA z.B. die rassistische Vereinigung Aryan Nation, welche die Vorherrschaft der «weissen Rasse» über die übrigen Völker der Welt propagiert.

Siehe auch die Stichworte RasseRassismusRassismus-StrafnormAntisemitismusNationalsozialismusEndlösungHolocaust und Shoah.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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