Antizionismus

Weitere Begriffe zum Thema Judentum:

Antizionismus bezeichnet die Ablehnung der jüdischen Nationalbewegung (Zionismus) und der Existenz Israels als jüdischer Nationalstaat. Motive und Begründungen von Antizionist:innen sind vielfältig und nicht an bestimmte Parteien oder Ideologien gebunden.

Historisch gesehen ist der Antizionismus ein innerjüdisches Phänomen. Viele orthodoxe und ultraorthodoxe, sozialistische sowie liberale, assimilierte Jud:innen lehnten den Zionismus bis weit in die 1930er Jahre ab. Liberale Jud:innen verstanden sich als Bürger:innen ihrer europäischen Staaten und wiesen die Vorstellung der Zionist:innen zurück, die Jud:innen seien eine Nation, wie alle anderen europäischen Nationen. So stand der 1893 gegründete «Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens» dem Zionismus sehr kritisch gegenüber und betonte die Loyalität der deutschen Jud:innen gegenüber ihrem Heimatland Deutschland. In Wilna wurde 1897 der sozialistische «Allgemeine jüdische Arbeiterbund von Litauen, Polen und Russland» (Bund) gegründet. Auch dessen Mitglieder lehnten den Zionismus ab und zielten auf die Anerkennung der Jud:innen als nationale Gruppe im Rahmen eines sozialistischen und demokratischen Osteuropa. Sie wollten innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung für ihre Rechte kämpfen und propagierten «Doigkeyt» («Hiersein»). Auf der orthodoxen Seite gründeten Vertreter:innen verschiedenster traditioneller Richtungen 1912 in Kattowitz die Sammlungsbewegung «Agudas Jisroel». Ihre führenden Rabbiner standen der säkularen zionistischen Bewegung sehr kritisch gegenüber. Nur durch Gottes Kraft solle das jüdische Exil beendet werden und nicht durch Menschenhand, so ihre Begründung. Die Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums in der Schoah haben den jüdischen Antizionismus zum Verstummen gebracht – bis auf wenige ultra-orthodoxe Sekten in- und ausserhalb Israels sowie kleine marxistische Gruppierungen in Israel.

Nach der Staatsgründung Israels war Antizionismus erklärte Politik der stalinistischen Sowjetunion und ihrer osteuropäischen Satellitenstaaten. Die UdSSR hatte die Teilung Palästinas und die Gründung eines jüdischen Staates zwar noch unterstützt. Im Zuge des Kalten Krieges machte sie eine Kehrtwendung und bekämpfte den Zionismus als eine Form von bürgerlichem Nationalismus. Die zweite Welle der stalinistischen Schauprozesse ab 1948 richtete sich vornehmlich gegen Jud:innen, die des «Kosmopolitismus» und des Zionismus angeklagt wurden. Nach dem Krieg im Juni 1967 («Sechstagekrieg») und der militärischen Besetzung palästinensischer Gebiete verurteilten auch viele Gruppen der radikalen Linken Israel als «Brückenkopf des US-Imperialismus» im Nahen Osten, solidarisierten sich mit der neu entstandenen palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und unterstützten Terrorakte, die von PLO-Fraktionen durchgeführt wurden.

Antizionistische Positionen werden heute von linksgerichteten oder arabisch-islamischen Gruppierungen vertreten. Es mehren sich aber auch jüdische Personen und Gruppierungen – in und ausserhalb Israels –, die sich als antizionistisch bezeichnen. Die antizionistische Ablehnung Israels als jüdischer Staat oder fundamentale Kritik an der Politik des Staates Israel wird heute zuweilen als neuer Antisemitismus bezeichnet. Allerdings sind nicht alle antizionistischen Haltungen antisemitisch. Antisemitisch ist Antizionismus nur dann, wenn er sich antisemitischer Klischees bedient (jüdische Weltverschwörung, Habgier) und wenn er sich gegen Jud:innen als Jud:innen wendet.

Siehe auch die Einträge ZionismusPostzionismus und Antisemitismus.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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24.03.2025

Lesung und Gespräch zu «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.»

Am 8. Mai 2025 sprechen Judith Coffey und Vivien Laumann im Zollhaus Zürich über ihr Buch «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen».

Im Buch loten die Autorinnen das Verhältnis von Jüdischsein und weiss-Sein aus und gehen der spezifischen Unsichtbarkeit von Juden:Jüdinnen in der Mehrheitsgesellschaft nach. In Anlehnung an das Konzept der Heteronormativität erlaubt «Gojnormativität», Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft zu befragen und so ein anderes Sprechen über Antisemitismus zu etablieren.

Das Buch ist eine Aufforderung zu einem bedingungslosen Einbeziehen von Juden:Jüdinnen in intersektionale Diskurse und Politiken und zugleich ein engagiertes Plädoyer für solidarische Bündnisse und Allianzen.

Wann: 8. Mai 2025 um 19:00 Uhr
Wo: Zollhaus Zürich / online mit Livestream
Sprache: Deutsch und Verdolmetschung in Gebärdensprache (auf Anfrage)
Moderation: Prof. Dr. Amir Dziri
In Kooperation mit: ZIID und feministisch*komplex

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