Informationen, Tipps und Beratung für Lehrpersonen

Was ist eine Verschwörungstheorie?

Eine Verschwörungstheorie ist «eine Annahme darüber, dass als mächtig wahrgenommene Einzelpersonen oder eine Gruppe von Menschen wichtige Ereignisse in der Welt beeinflussen und damit der Bevölkerung gezielt schaden, während sie diese über ihre Ziele im Dunkeln lassen» (Nocun und Lambert).

Der Begriff «Verschwörungstheorie» ist zwar sehr verbreitet, aber nicht ganz unproblematisch, denn er suggeriert eine gewisse Wissenschaftlichkeit, die bei solchen Erzählungen kaum gegeben ist. Aufgrund der breiten Verwendung dieses Begriffs wird er an dieser Stelle trotzdem verwendet. Alternative Bezeichnungen und deren Bedeutung finden Sie in den Erklärungen weiter unten.

Was haben viele Verschwörungstheorien gemeinsam?

Viele Verschwörungstheorien geben vor…

  • dass mächtige Personen im Verborgenen agieren
  • dass sich diese Individuen zu Lasten der Allgemeinheit bereichern
  • dass alleine sie die richtige und einzige Erklärung für wichtige gesellschaftliche Ereignisse liefern, die im Widerspruch zu den allgemein gültigen Erklärungen stehen
  • dass nichts durch Zufall geschieht
  • dass etablierte Informationskanäle unglaubwürdig und befangen seien
  • dass sich die Welt in strikte Kategorien von Gut und Böse unterteilen lässt

Weshalb glauben manche Leute an solche Erzählungen?

Verschwörungstheorien gibt es schon seit langem. In Zeiten grosser Unsicherheit zirkulieren sie besonders häufig. Denn mit der simplen Aufteilung der Welt in Gut und Böse vermitteln sie ein Gefühl von Kontrolle und bieten scheinbar einfache Erklärungen für komplexe globale Phänomene wie Finanzkrisen, Klimawandel oder Pandemien.

Der Glaube, etwas erkannt zu haben, was viele Menschen nicht sehen wollen, kann auch zu einer Aufwertung des eigenen Selbstwertgefühls beitragen. Zudem schafft das gemeinsame Aufschlüsseln vermeintlicher Hinweise ein Gefühl der Gemeinschaft und Verbundenheit unter Verschwörungstheoretiker:innen.

Wie hängen «Alternative Fakten» und Verschwörungstheorien zusammen?

Alternative Fakten oder Fake News sind nicht gleichzusetzten mit Verschwörungstheorien, aber sie hängen oft zusammen. Fake News sind gezielt in die Welt gesetzte Falschmeldungen. Sie allein machen zwar noch keine Verschwörungserzählung aus, jedoch können sie Ausgangspunkt für Verschwörungserzählungen sein oder diese untermauern.

Wieso können Verschwörungstheorien gefährlich sein?

Auch wenn nicht alle Verschwörungstheorien gefährlich sind, bieten viele von ihnen den perfekten Nährboden für Radikalisierung. Erstens unterwandern einige dieser Erzählungen das Vertrauen in das politische System. Zweitens neigen Anhänger:innen von Verschwörungserzählungen aufgrund eines starken Feindbildes eher dazu gewalttätigen Extremismus zu rechtfertigen. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass gut ein Drittel der Schweizer Bevölkerung empfänglich für Verschwörungstheorien ist. Selbst wenn nur ein Bruchteil davon durch Verschwörungserzählungen radikalisiert wird, nimmt das Gewaltpotential und die Missachtung gängiger Verhaltensrichtlinien zu.

Wieso enthalten so viele Verschwörungstheorien antisemitische Narrative?

Verschwörungstheorien entstehen selten im luftleeren Raum, sondern greifen bereits bestehende Mythen auf und «verpacken» diese neu. Auch antisemitische Vorurteile kursieren immer wieder in Verschwörungstheorien. Dabei stützen sie sich auf uralte antijüdische Stereotype von den «illoyalen, hinterlistigen, geldgierigen» Jud:innen, um sie so zu Sündenböcken der momentanen Notlage zu machen. Beispielsweise wurden Jud:innen während der Pest beschuldigt, die Brunnen vergiftet zu haben. Auch im aktuellen Kontext werden Jud:innen als Treiber:innen und Profiteur:innen der Corona-Pandemie beschuldigt.

Auch wenn der Antisemitismus nur selten explizit erkennbar ist, deuten bestimmte Begriffe, die in vielen Verschwörungstheorien vorkommen, auf eine angebliche jüdische Weltverschwörung hin.  Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie mit diesen Begriffen antisemitisches Gedankengut weiterverbreiten. Eine Liste dieser Begriffe und Hintergrundinformationen finden Sie in unserem Glossar.

Wie kann man als Lehrperson reagieren?

Auch wenn es im Umgang mit Verschwörungserzählungen nicht den einen richtigen Weg gibt, ist es wichtig, dass entsprechende Äusserungen nicht unkommentiert bleiben und das Gespräch gesucht wird. Um zu verhindern, dass geäusserte Gegenargumente als Teil der Verschwörung angesehen werden, sollten folgende Dinge beachtet werden.

  • Thematisieren Sie im Unterricht, wie Verschwörungserzählungen zustande kommen, welche Funktionen sie erfüllen und welche Gefahren von ihnen ausgehen
  • Suchen Sie in einem ruhigen Moment das direkte Einzelgespräch und stellen Sie offene Fragen, um Raum für Ängste und Sorgen zu geben, aber auch, um herauszufinden mit welcher Intention die Äusserung erfolgte
  • Zeigen Sie Einfühlungsvermögen und hören Sie zu
  • Fragen Sie nach den Quellen bestimmter Aussagen und führen Sie einen gemeinsamen Faktencheck durch
  • Sollte sich herausstellen, dass Jugendliche bereits tief in die Welt der Verschwörungstheorien abgedriftet sind, sollte die Schulsozialarbeit oder eine Beratungsstelle kontaktiert werden.

Begriffserklärungen

Was ist eine Verschwörungstheorie?

Eine Verschwörungstheorie ist «eine Annahme darüber, dass als mächtig wahrgenommene Einzelpersonen oder eine Gruppe von Menschen wichtige Ereignisse in der Welt beeinflussen und damit der Bevölkerung gezielt schaden, während sie diese über ihre Ziele im Dunkeln lassen» (Nocun und Lambert).

Kritik am Begriff «Verschwörungstheorie»

Der Begriff Verschwörungstheorie ist weit verbreitet, allerdings ist die Verwendung des Wortes “-theorie” hier irreführend. Eine Theorie schließt ein, dass diese eine theoretische Grundlage hat, die wissenschaftlichen Standards entspricht. Dies ist bei Verschwörungserzählungen jedoch nicht gegeben. Da der Begriff jedoch am weitesten verbreitet ist, greifen auch wir darauf zurück, um über das Thema aufzuklären.

Verschwörungsideologien

Von Verschwörungsideologien spricht man in dem Fall, wenn an einem Verschwörungsverdacht festgehalten wird, obwohl es keine Belege für den Verdacht gibt. Der Begriff «Ideologie» wird verwendet, wenn davon ausgegangen werden kann, dass es sich einerseits nicht um die Erfindung einer einzelnen Person handelt, somit weit verbreitet ist. Andererseits wird hierin ausgedrückt, dass die vermeintliche Verschwörung das ganze Weltbild einer Person bestimmt. Auch verweist der Begriff «Verschwörungsideologie» darauf, dass es sich hierbei um ein ideologisches Denkmuster handelt, das keinen Widerspruch und Kritik zulässt.

Verschwörungsmythos

Der Begriff «Verschwörungsmythos» bezieht sich auf erfundene Gruppierungen, die im Zusammenhang mit der vermeintlichen Verschwörung gesehen werden. Nicht immer lassen sich klare Grenzen zwischen «Verschwörungsideologien» und «Verschwörungsmythen» ziehen.

Verschwörungserzählungen

Im wissenschaftlichen Kontext wird der Begriff «Verschwörungserzählung» verwendet. Dadurch wird hervorgehoben, dass es sich um eine Vermutung handelt, die sich nicht belegen oder nachvollziehen lässt.

Wir helfen

Vorfall melden

Wurden Sie Zeug:innen eines rassistischen oder antisemitischen Vorfalls oder wurden Sie selbst rassistisch oder antisemitisch beleidigt oder angegriffen?

20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

Mehr erfahren
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin