Sheitl

Weitere Begriffe zum Thema Judentum:

Bei religiösen Männern wird zwischen Kippa, Strejml und Judenhut, der als Judenabzeichen des Mittelalters gilt, unterschieden, während für religiöse Frauen ein Kopftuch, Hut oder eine Perücke (jidd. Sheitl) als Kopfbedeckung gilt. Das Tragen einer Kopfbedeckung ist für Männer nicht in der Bibel festgelegt, wohingegen das Bedecken des Haares für Frauen ein Gesetz (Talmud, Traktat Sota, S. 72a) ist.

Die Kippa, eine kreisförmige Mütze, die den Hinterkopf bedeckt, ist die gebräuchlichste Kopfbedeckung. Sie wird beim Gebet, in der Synagoge oder auf jüdischen Friedhöfen und von orthodoxen Jud:innen auch im Alltag getragen und ist ein modernes Erscheinungsbild. Betrachtet man Bilder aus dem 19. und 20. Jahrhundert, findet man keine Kippa, sondern Mützen, Hüte und Melonen. Das Tragen impliziert Demut und Respekt vor Gott. Die Kopfbedeckung ist für jüdische Männer kein Gesetz, sondern ein Brauch.

Bei Chassiden unterscheidet sich die Kopfbedeckung für die Wochentage von jener für Feiertage und Schabbat. An Schabbat und Hochzeiten tragen sie Strejmls, grosse Kappen, die mit Fuchsschwanzpelz umrundet sind.
1215 wurde eine Vorschrift vom Laterankonzil erlassen, die besagt, dass Juden einen gelben Hut tragen müssen. Dieser Judenhut hatte eine konische Form und wurde zum diskriminierenden Kennzeichen der Jud:innen. Dadurch waren Juden leicht erkennbar, was den Austausch zwischen Christ:innen und Jud:innen weitgehend unterband. Das Tragen eines Hutes war jedoch nicht nur ein Zwang von aussen, sondern auch innerhalb des Judentums gab es Stimmen, die sich für das Bedecken des Hauptes im religiösen Kontext aussprachen. Rabbi Huna war der Ansicht, dass man nicht mehr als vier Ellen (2.40m) ohne Kopfbedeckung gehen sollte.

Ab der Frühen Neuzeit stand der Judenhut nicht mehr nur für Jüdischkeit, sondern begann sich auch zu einem böswilligen Symbol von Verrat und Kriminalität zu entwickeln. In der Ikonographie war der Judenhut oft ein kennzeichnendes Attribut für eine jüdische Person, auch wenn sie im realen Leben gar nie einen solchen Hut getragen hat.

Bei Frauen sind die Kopfbedeckungen weniger auffällig und werden selten so intensiv thematisiert wie die Kippa der Männer. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass Frauen schon immer verpflichtet waren, ihr Haar zu bedecken, sobald sie verheiratet sind. Einige Rabbis sind der Meinung, dass es die Bestrafung für Eva ist, die im Paradies von der verbotenen Frucht gekostet hat. In den aschkenasischen, religiösen Kreisen ist der Sheitl (Perücken) sehr beliebt. Die Perücken werden, häufig von Aussenstehenden, als Ehrbietigkeit und Unterwerfung dem Ehemann gegenüber betrachtet. Von anderen, Sheitl-tragenden Frauen hingegen werden sie als Selbstermächtigung betrachtet. Dabei wird die Verpflichtung zum Judentum demonstriert und die Entscheidung, das Haar auf diese Weise zu bedecken, als Machtakt empfunden.

Heute lässt sich die Tendenz feststellen, dass in Europa religiöse Männer aus Furcht vor Übergriffen oder Beschimpfungen häufiger einen Hut tragen, wenn sie auf die Strasse gehen, um die Kippa darunter zu verbergen. Im heutigen Israel ist das Tragen der Kippa auch ein politisches Statement: Die Art (Farbe, gestrickt etc.) der Kippa zeigt die religiöse wie auch politische Einstellung des Trägers.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2019, unter Mitarbeit von Anaïs Steiner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums für Jüdische Studien in Basel.

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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