Der Begriff Rasse ist während der Aufklärung (17./18. Jahrhundert) entstanden, als Philosoph:innen und Naturforscher:innen begannen, die Natur zu vermessen und zu kategorisieren. Die Pflanzen- und Tierwelt wurde nach Arten, Familien, Gruppen und Rassen klassifiziert und europäische Gelehrte teilten die Menschheit in unterschiedliche «Rassen» ein.
In der Botanik und Zoologie wird der Begriff Rasse heute nicht mehr verwendet; er wurde durch den Begriff «Unterart» ersetzt. Einzig in der Haustierzucht spielen Rassen heute noch eine Rolle. Heute ist auch erwiesen, dass eine Unterscheidung unterschiedlicher «Menschenrassen» wissenschaftlich nicht haltbar ist.
Die Begegnung der Forschungsreisenden mit Menschen anderer Hautfarbe und Lebensformen führte Philosoph:innen und Naturforscher:innen der Aufklärung dazu, die Menschheit in unterschiedliche «Rassen» einzuteilen. So ging der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) davon aus, dass die gesamte Menschheit zwar einer gemeinsamen Abstammung war, sich aber aufgrund von Wanderungen in verschiedene klimatische Räume Variationen von «Weissen», «Gelben», «Schwarzen» und «Roten» ausgebildet hätten. Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) beschränkte sich nicht nur auf die Einteilung nach Hautfarben; er unterschied fünf «Rassen», betrachtete den Übergang zwischen ihnen aber als fliessend. Der Göttinger Universitätsprofessor Christian Meiners (1747-1810) fügte der horizontalen Unterscheidung eine vertikale Hierarchie hinzu: Er attestierte der weissen Rasse geistige und kulturelle Überlegenheit über alle anderen «Rassen».
Die Einteilung der Menschheit in «Rassen» war nie harmlos und diente immer dazu, die Vormachtstellung der Europäer:innen gegenüber kolonisierten, ausgebeuteten oder versklavten Menschen anderer Kulturen und Hautfarben zu rechtfertigen. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882), der von der «Natürlichen Selektion» der Arten in der Tierwelt ausging, wurde von den Rassentheoretiker:innen auf die soziale, politische und kulturelle Welt der Menschen übertragen und zum «Kampf ums Dasein» uminterpretiert («Sozialdarwinismus»). Im Laufe des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts steigerten sich die pseudowissenschaftlichen Rassentheorien zu Vorstellungen der «arischen Herrenrasse» bis hin zum Völkermord an den «degenerierten Rassen» der Jud:innen und Sinti:zze und Rom:nja. Vorläufer dieser Entwicklung waren Graf Joseph Arthur de Gobineau (1816-1882) und Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), letzterer ein Bewunderer Hitlers.
Heute weiss man, dass es zwar genetische Unterschiede zwischen menschlichen Populationen gibt, diese Variationen aber gleitend sind. Die genetischen Variationen innerhalb von einzelnen Populationen sind ungleich grösser als die Variationen zwischen verschiedenen Populationen. Im Klartext: Die Unterschiede innerhalb der Gruppe von Menschen mit weisser Hautfarbe sind grösser und mannigfaltiger als Unterschiede zwischen ihnen und Menschen schwarzer Hautfarbe.
Im deutschen Sprachraum wurde der Begriff «Rasse» mehrheitlich durch den Begriff der «Ethnie» ersetzt. Einer «Ethnie» liegen keine anatomischen oder biologischen Merkmale, sondern gemeinsame Herkunft, Geschichte und Kultur zugrunde. Im englischen Sprachraum wird «Race» immer noch verwendet, ist aber auch dort ein Synonym für «Ethnie».
Siehe auch die Einträge Rassismus und Diskriminierungsstrafnorm.
© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015