Jenische / Fahrende

Weitere Begriffe zum Thema Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten:

Jenische gehören zu den ethnischen Gruppen, die ihren Ursprung in Europa haben und mit den Jahrhunderten eine eigene Kultur und Sprache herausgebildet haben. Weil ihre Gewerbe sie oft veranlassten, den Ort zu wechseln, hat sich das Reisen oder Fahren zu einem wesentlichen Merkmal ihres kulturellen Selbstverständnisses entwickelt. Sie leben – heute meist sesshaft – in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich.

Während die Rom:nja ihre ethnischen und sprachlichen Wurzeln in Indien haben, ist die Herkunft der Jenischen weniger klar. Die Jenischen selbst betrachten sich als Volk mit eigener Kultur, das als Minderheit in Mitteleuropa lebt. Forscher:innen sehen in den Jenischen eher eine soziologische als eine ethnische Gruppe: europäische Wanderhandwerker:innen, die vor rund 350 Jahren, nach dem Dreissigjährigen Krieg, ihre eigene nomadisierende Kultur formten. Da sie die Lebensweise von jüdischen Händler:innen teilten, nahm die Sprache der Jenischen jiddische und hebräische Wendungen auf. Ebenso flossen Begriffe aus dem Rotwelsch ein, dem Slang der nichtjüdischen Vagant:innen, und Lehnwörter aus der Rom:nja-Sprache Romanes. Rom:nja und Jenische haben keine gemeinsamen ethnischen Wurzeln. Das zeigt sich auch darin, dass Romanes keine jiddischen und hebräischen Lehnwörter aufgenommen hat. Während die Rom:nja zum grössten Teil sesshaft lebten (nur gerade 5 Prozent von ihnen betrieben ein Wandergewerbe), ist bei den Jenischen das Wandergewerbe prägender (ursprünglich Scherenschleifen, Schirmflicken, Geschirrhandel, heute auch Möbelhandel und Hausreinigungen). Jenische pflegen ihre Kultur und Sprache auch heute weiter, nachdem ein grosser Teil ihrer Angehörigen sesshaft lebt. Manche sind aber auch zumindest in der Sommersaison im Wohnwagen unterwegs.

Die Behörden machten keine grossen Unterschiede zwischen den Rom:nja und den Jenischen – für sie waren es «Z*******», solange sie «Fahrende» waren. Im 19. Jahrhundert wurden Jenische in der Schweiz in manchen Kantonen zwangsmässig angesiedelt. In den Jahren 1926 bis 1973 nahm das vom Bund unterstützte «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» über 600 jenische Kinder ihren Eltern weg und versorgte sie in Heimen, psychiatrischen Kliniken und Pflegefamilien. Erst nachdem die Zeitschrift «Der schweizerische Beobachter» diese grausame Verfolgung der Jenischen aufdeckte, änderte sich die Politik der Behörden. 1975 organisierten sich die schweizerischen Jenischen zur Selbsthilfe in der Dachorganisation «Radgenossenschaft der Landstrasse». Als Entschädigung für das durch die Pro Juventute angetane Leid erhielten 2200 Betroffene Beiträge von 2000 bis 20’000 Franken (insgesamt 11 Millionen Franken). 1997 kam es zur Gründung der eidgenössischen Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende.

Mit der Unterzeichnung des Rahmenabkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten schaffte die Schweiz 1998 die Voraussetzung, um die schweizerischen «Fahrenden» als nationale Minderheit anzuerkennen. Im ersten Bericht der Schweiz über den Schutz nationaler Minderheiten heisst es: «Die Jenischen bilden die Hauptgruppe der Fahrenden schweizerischer Nationalität; es leben indes auch andere Fahrende in der Schweiz, die zumeist der Gruppe der Sinti (Manusche) angehören.»

In der Schweiz leben heute schätzungsweise 35’000 Personen jenischer Herkunft. Nur etwa 3000 von ihnen erzielen noch ihren Lebenserwerb als «Fahrende».

Siehe auch die Stichworte Roma und SintiVölkermord an den Sinti und Roma und Zigeuner.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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