Genozid

Weitere Begriffe zum Thema Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten:

Genozid ist der juristische Begriff für Völkermord. Das Übereinkommen der UNO von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert dieses Verbrechen als Handlung, «die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören». Die Schweiz ist dem Übereinkommen 2000 beigetreten.

Der Begriff Genozid ist vom jüdischen polnischen Juristen Raphael Lemkin (1900-1959) geprägt worden. Er setzte ihn zusammen aus «genus» (lateinisch für Herkunft, Geschlecht, Stamm, Volk) und «caedere» (lateinisch für schlagen, töten, morden). Lemkin arbeitete 1943 für die polnische Exilregierung in London einen Gesetzesentwurf aus, mit dem die Verbrechen der deutschen Besatzung in Polen geahndet werden sollten. 1944 übertrug er den Begriff ins Englische: Genocide.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 96 vom 11. Dezember 1946, «dass Völkermord ein Verbrechen gemäss internationalem Recht ist». Das Übereinkommen der UNO vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes verpflichtete die Vertragsparteien, dieses Verbrechen zu verhüten und zu bestrafen. Straftatbestand ist eine Handlung, «die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören». Im Einzelnen zählt die Konvention folgende Handlungen als Genozid oder Völkermord auf:

a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Die Schweiz ist dieser UNO-Konvention im Jahr 2000 beigetreten. Seit dem 15. Dezember 2000 ist im schweizerischen Strafgesetzbuch der Artikel 264 in Kraft, der Völkermord «mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren» bestraft. Strafbar ist auch der Täter, der die Tat im Ausland begangen hat, wenn er sich in der Schweiz aufhält und nicht ausgeliefert werden kann.

Obwohl die Judenvernichtung durch das nationalsozialistische Deutschland den Anstoss zur UNO-Konvention gegen den Völkermord gegeben hatte, war auch der nationalsozialistische Massenmord an 220’000 bis 500’000 Sinti:zze und Rom:nja eindeutig ein Genozid. Im Lauf der Geschichte sind viele Genozide verübt worden. So hatten die europäischen Kolonialmächte in Amerika und Australien die Urbevölkerungen nahezu ausgerottet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweckte der Völkermord an den türkischen Armenier:innen (1915) grosse Anteilnahme in Europa. Von UNO-Tribunalen als Völkermord angeklagt und verfolgt wurden die Massaker, in denen 1994 in Ruanda Hutu-Milizen rund drei Viertel der Tutsi-Minderheit ermordet hatten, sowie die Massenhinrichtung von etwa 8000 bosniakischen Männern durch serbische Streitkräfte in Srebrenica (1995). Auch die Vernichtung von bis zu 2,2 Millionen Menschen durch die Roten Khmer in Kambodscha (1975-78) und die Dezimierung der Bevölkerung von Osttimor durch die indonesischen Besatzungstruppen (1974-99) werden häufig als Genozide bezeichnet.

Siehe auch die Stichworte HolocaustShoahEndlösung und Porajmos.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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Ein Ausschnitt aus dem Flyer des Programms der Ringvorlesung. Darauf zu sehe ist das Logo der Universität Zürich sowie der Titel der Ringvorlesung: Antisemitismus.
05.09.2024

Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien

Wann: Jeweils montags zwischen 18.15 bis 19.45 Uhr
Daten: 23.09./14.10./28.10/04.11/18.11./2.12./16.12.
Ort: Universität Zürich, Rämistrasse 71, Raum: KOH-B-10

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat der Begriff des Antisemitismus in öffentlichen Debatten wieder hörbar Eingang gefunden. Doch wird nicht nur mit Blick auf dieses Ereignis und seine Folgen über Antisemitismus diskutiert. Jüdische Menschen in der ganzen Welt sind seit dem Herbst 2023 vermehrt antisemitischen Anfeindungen in allen Formen ausgesetzt. Während Jüdinnen und Juden auf diese Weise unmittelbar von Antisemitismus betroffen sind, werden andere im öffentlichen Diskurs wiederum als antisemitisch bezeichnet, wenn sie beispielsweise eine «israelkritische» Stellung zur Lage in Nahost beziehen.

Antisemitismus ist kein neues Phänomen. Der Hass gegen jüdische Menschen blickt auf eine lange (Leidens-)Geschichte zurück, die nun wieder aktuell geworden ist. Die Ringvorlesung analysiert Begriff, Geschichte und Ausdrucksformen des Antisemitismus und lässt Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft zu Wort kommen, die historische Hintergründe, psychologische und rechtliche Dimensionen, ideologische und politische Erscheinungen sowie persönliche Erfahrungen vorstellen.

Die Ringvorlesung wird in Kooperation mit der Gamaraal Foundation veranstaltet (www.last-swiss-holocaust-survivors.ch).

Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen finden Sie im Veranstaltungsflyer.

 

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