Behindert

Menschen mit Behinderung sind Personen mit einer dauerhaften körperlichen oder mentalen Abweichung, die als Defizit gewertet wird. «Invalide» und «Krüppel» sind veraltete, abwertende Bezeichnungen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert «Behinderung» als Folge der Wechselbeziehung zwischen einer fördernden oder behindernden Umwelt und einem Menschen mit seinen Gesundheitsproblemen. Mit anderen Worten: «Behinderung» wird von der WHO nicht als eine individuelle Eigenschaft, sondern als das Resultat des Umgangs mit Menschen verstanden. Als die SBB 1990 neue S-Bahn-Züge anschaffte, in die man nur über Treppen hineingelangen konnte, demonstrierten Rollstuhlfahrer:innen und andere gegen diesen Entscheid: «Wir SIND nicht behindert – wir WERDEN es!» stand damals auf einem Transparent. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung werden in unserer Gesellschaft oft nicht ernst genommen, ihre Bewegungsfreiheit wird mit Treppen und anderen Barrieren eingeschränkt und es wird ihnen mit Mitleid, Scheu oder Abscheu begegnet. Indem Abweichende als «abnormal» ausgegrenzt werden, wird eine scheinbare Normalität konstruiert.

Das Wort «Behinderte» fasst alle Personen mit einer negativ bewerteten Abweichung zu einer einzigen Kategorie zusammen und stellt sie allen «Nicht-Behinderten» gegenüber. Dabei geht verloren, dass die Behinderung nur eine von vielen Eigenschaften einer Person beschreibt, die Übergänge zwischen «Behinderten» und «Nicht-Behinderten» fliessend sind und dass «Behinderung» zu einem grossen Teil vom spezifischen Umfeld abhängig ist. Weil der Begriff «Behinderte» die Relativität von «Behinderung» nicht berücksichtigt, gibt es Stimmen, welche die Bezeichnung Menschen mit Behinderung vorziehen.

Menschen mit Behinderungen wurden in vielen Kulturen und Epochen ausgegrenzt. Im Nationalsozialismus galten sie als «lebensunwertes Leben»; Hunderttausende von Menschen mit geistiger Behinderung und Menschen mit schwerer körperlicher «Behinderung» wurden zwangssterilisiert oder getötet. Aber auch schon vor den Nazis gab es Ideolog:innen, die «lebensunwertes Leben» ausmerzen wollten. Kritiker:innen warnen deshalb heute vor Tendenzen, schwangeren Frauen, deren ungeborenes Kind Anzeichen einer möglichen «Behinderung» aufweist, zum Schwangerschaftsabbruch zu raten.

Der veraltete Begriff «Invalidität ist in der Schweiz» immer noch ein rechtliches Konzept. Es wird heute im gängigen Alltagsverständnis mit Behinderung gleichgesetzt. Das schweizerische Sozialversicherungsrecht (Invalidenversicherung/IV) definiert ihn jedoch als dauernde Erwerbsunfähigkeit aufgrund von Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit. Das Wort stammt aus dem Lateinischen «invalidus» = «kraftlos, schwach». Im Englischen und den lateinischen Sprachen hat es sich in der Bedeutung von «ungültig», «wertlos», «untauglich» erhalten. Es wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts für dienstuntaugliche und kriegsversehrte Soldaten und ab dem 19. Jahrhundert dann auch im deutschen Sprachraum allgemein für Arbeitsunfähige verwendet.

Die Begriffe «Krüppel» und «verkrüppelt» sind ältere, heute negativ besetzte Bezeichnungen für Menschen mit Behinderungen. Sie werden nun von politisch aktiven Betroffenen als Kampfbegriff positiv umgedeutet. So beispielsweise im Comicbuch gegen architektonische Barrieren «Krüppelpower gegen Treppenbauer». Der Ausdruck «Krüppel», wenn von «Nicht-Behinderten» verwendet, ist aber immer noch abwertend und verletzend.

Siehe auch den Eintrag Euthanasie.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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20.11.2024

Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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