Asylant

Etwa um 1970 taucht im deutschen Sprachgebiet die Bezeichnung «Asylant:in» für Flüchtlinge und Asylsuchende auf. Von Anfang an waren es rechtsstehende und fremdenfeindliche Organisationen und Personen, die das Wort benutzten. Deshalb bekam «Asylant:in» eine klar abwertende Bedeutung. Die politischen Behörden der Schweiz verwenden diese Bezeichnung nicht. Das Asylgesetz zum Beispiel spricht von «Asylsuchenden».

«Anstieg der Asylantenflut» lautete 1971 eine Schlagzeile in der Wochenzeitung «Deutsche Nachrichten» der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Schon in diesem frühen Nachweis zeigt sich der typische Zusammenhang, in den die neue Wortschöpfung «Asylant:in» von Anfang an gestellt wurde: Das Wort wurde stets mit einer deutlichen Abwehrhaltung gegen Flüchtlinge und Asylbewerber gebraucht. Dies drücken auch die Wortkombinationen «Asylantenschwemme», «Scheinasylant», «Asylantenpack» oder «kriminelle Asylanten» aus. Ein respektvoller Kontext – etwa «hochbegabte Asylantin» oder «liebenswürdiger Asylant» – kommt kaum je vor und wirkt wenn schon eher ironisch.

Manche Kritiker:innen sehen in der Endsilbe «-ant:in» eine generelle Abwertung, und sie verweisen auf andere Wörter, die ähnlich negativ besetzt sind: Simulant:in, Querulant:in, Pedant:in, Intrigant:in usw. Doch die Endsilbe «-ant:in» ist unschuldig. Es gibt im Deutschen viele Substantive, die nach lateinisch-romanischem Vorbild (oft aus dem Französischen übernommen) aus dem Partizip Präsens eines Verbs gebildet werden: «demonstrare» (zeigen), «demonstrans» (zeigend) wird so zu «Demonstrant:in» (Zeigende:r). Auch Wörter germanischen Ursprungs wurden mit dieser Endsilbe zu Substantiven geformt, etwa Garant:in oder Lieferant:in. Diese Beispiele und andere (Intendant:in, Brillant:in, Infant:in etc.) zeigen, dass die Endsilbe keineswegs entwertend sein muss. «Asylant:in» ist eine moderne deutsche Wortschöpfung, die nicht auf ein lateinisches Verb zurückzuführen ist; im Lateinischen gibt es nur das aus dem Griechischen entlehnte Substantiv «asylum» (Freistatt, Zufluchtsort).

Es ist also nicht die Wortbildung, sondern der Wortgebrauch, der «Asylant:in» negativ einfärbt. In der Schweiz wie in Deutschland wurde das Wort vor allem von rechtsstehenden Organisationen im fremdenfeindlichen Sinne gebraucht. Dies belegen auch die Namen zweier – im Sammelstadium gescheiterter – eidgenössischer Volksinitiativen «für die Begrenzung der Aufnahme von Asylanten» (1988) und «gegen die Masseneinwanderung von Ausländern und Asylanten» (1990).

Wenn die Bezeichnung «Asylant:in» sich trotz ihrer Herkunft mittlerweile in den Medien wie im täglichen Sprachgebrauch allgemein eingebürgert hat, dann könnte dies auf eine Abstumpfung hindeuten. Der intensive Gebrauch des Wortes durch populäre Rechtsparteien wie die SVP hat «Asylant:in» bei vielen Menschen gesellschaftsfähig gemacht, indem sie den fremdenfeindlichen Unterton entweder überhören oder übernehmen.

In den offiziellen Dokumenten der eidgenössischen Behörden wird «Asylant:in» nur bei der Zitierung von Aussagen – rechtsstehender – Sprecher und Organisationen verwendet. Das eidgenössische Asylgesetz gebraucht die Bezeichnungen «Flüchtlinge» und «Asylsuchende». Eine Ausnahme bildete die Geschäftsdatenbank Curia Vista der Bundesversammlung: Sie betitelte in der Vergangenheit sogar Vorstösse von linken Politiker:innen, in deren Texten das Wort «Asylant:in» nie vorkam, mit «Asylanten im Untergrund» (Anfrage von Helmut Hubacher, SP, vom 10.10.1997) oder «Asylanten-Empfangszentrum in Genf» (Interpellation von Liliane Maury Pasquier, SP, vom 20.12.1995).

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin

Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.  

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich. 

Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.

Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.

Foto: Alain Picard

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