SVP-Nationalrat Christoph Blocher lädt zu einer öffentlichen «Klarstellung» der Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg ein und bedient dabei auch die antisemitischen Phantasien eines Teils seiner ZuhörerInnen. Ein Zürcher Jude beschreibt die Stimmung der Blocher- AnhängerInnen im Saal in einem Leserbrief an die «Jüdische Rundschau»: «…kann ich nur schildern, wie die Leute im Saal um mich herum während der Rede reagierten: ‘Uf de Fridhof, die Jude sind sowiso all tot, legemer’s doch dene uf’s Grab,… ‘ oder: ‘Me hett no vill me söle vergase’, reagierten verschiedene auf Blochers Frage: ‘Was und wohin soll das Geld des Fonds gehen?’. ‘Die Soujude wänd sowiso nume Gält’, provozierte Blocher mit seiner Bemerkung ‘es gehe schlussendlich nur um das Geld’. » Am folgenden Tag titelt der «Sonntags-Blick»: “Blocher: Den Juden geht es nur ums Geld”. Blocher klagt daraufhin wegen Ehrverletzung. Kurz nach den Nationalratswahlen 1999 veröffentlicht das Bezirksgericht Zürich den Freispruch und hält in seiner Urteilsbegründung fest: Blocher habe sich “in seiner Rede gegenüber der jüdischen Konfliktpartei, also der jüdischen Gemeinschaft und den jüdischen Organisationen, in ausgesprochen beleidigender Art geäussert und hiebei das Klischee vom geldgierigen – und im Übrigen auch verräterischen Juden – in arger und ärgster Weise strapaziert”. Weiter hält das Gericht fest: “Die Verwendung des Klischees vom geldgierigen Juden und dessen Anspielen über die einzelnen dieses Klischees bestimmenden Qualififaktionsmerkmale erweisen sich auch nicht einfach als vereinzelte Fehlleistungen.” Blocher appelliert umgehend, später einigen sich die Parteien auf einen Vergleich. Bis Dezember 1999 reichen drei Privatpersonen Strafanzeige gegen Blocher ein, alle wegen Rassendiskriminierung, im August 2000 folgt von Amtes wegen die Strafanzeige von Bezirksrichter Bruno Steiner, der im Ehrverletzungsprozess das bezirksgerichtliche Urteil gesprochen hatte. (Blocher reicht gegen Steiner daraufhin eine Disziplinarbeschwerde ein, weil er die Anzeige gegenüber einem Journalisten bestätigte habe.) Der zuständige Bezirksanwalt sieht einen hinreichenden Tatverdacht und beantragt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Blochers. Anfang Juli 2001 stellt die zuständige nationalrätliche Kommission für Rechtsfragen den Antrag, die Immunität nicht aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit habe Blocher nur “von seinem Recht zur Polemik Gebrauch gemacht”. Die links-grüne Minderheit meint hingegen, Blocher habe “mit gekonnter Rhetorik das Bild des geldgierigen Juden evoziert”.

1.3.1997
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Ein Ausschnitt aus dem Flyer des Programms der Ringvorlesung. Darauf zu sehe ist das Logo der Universität Zürich sowie der Titel der Ringvorlesung: Antisemitismus.
05.09.2024

Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien

Wann: Jeweils montags zwischen 18.15 bis 19.45 Uhr
Daten: 23.09./14.10./28.10/04.11/18.11./2.12./16.12.
Ort: Universität Zürich, Rämistrasse 71, Raum: KOH-B-10

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat der Begriff des Antisemitismus in öffentlichen Debatten wieder hörbar Eingang gefunden. Doch wird nicht nur mit Blick auf dieses Ereignis und seine Folgen über Antisemitismus diskutiert. Jüdische Menschen in der ganzen Welt sind seit dem Herbst 2023 vermehrt antisemitischen Anfeindungen in allen Formen ausgesetzt. Während Jüdinnen und Juden auf diese Weise unmittelbar von Antisemitismus betroffen sind, werden andere im öffentlichen Diskurs wiederum als antisemitisch bezeichnet, wenn sie beispielsweise eine «israelkritische» Stellung zur Lage in Nahost beziehen.

Antisemitismus ist kein neues Phänomen. Der Hass gegen jüdische Menschen blickt auf eine lange (Leidens-)Geschichte zurück, die nun wieder aktuell geworden ist. Die Ringvorlesung analysiert Begriff, Geschichte und Ausdrucksformen des Antisemitismus und lässt Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft zu Wort kommen, die historische Hintergründe, psychologische und rechtliche Dimensionen, ideologische und politische Erscheinungen sowie persönliche Erfahrungen vorstellen.

Die Ringvorlesung wird in Kooperation mit der Gamaraal Foundation veranstaltet (www.last-swiss-holocaust-survivors.ch).

Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen finden Sie im Veranstaltungsflyer.

 

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Ringvorlesung «Antisemitismus» der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
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